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Politik: Eigenes Land, fremde Sprache

Von Moritz Kleine-Brockhoff, Dili Zulmiro hat aufgegeben und nach zwei Monaten den Sprachkurs abgebrochen. „Portugiesisch ist zu schwer“, sagt er, „ich weiß nicht, was sich die Politiker dabei gedacht haben“.

Von Moritz Kleine-Brockhoff, Dili

Zulmiro hat aufgegeben und nach zwei Monaten den Sprachkurs abgebrochen. „Portugiesisch ist zu schwer“, sagt er, „ich weiß nicht, was sich die Politiker dabei gedacht haben“. In Osttimor geht es vielen wie Zulmiro. Alle strahlen, weil ihr Land am Montag von Indonesien unabhängig wird. Die Vereinten Nationen, die das Gebiet seit 1999 verwaltet haben, und die eigenen Politiker werden überschwänglich gelobt: Frieden, Wiederaufbau, zwei ordentliche Wahlen – die Staatsbildung scheint gelungen.

Als vorbildlich gilt auch die neue Verfassung. Nur Artikel 13 bereitet den Menschen Bauchschmerzen: „Tetum und Portugiesisch sind die offiziellen Sprachen der Demokratischen Republik Osttimor“, steht da. Die lokale Sprache Tetum beherrschen fast alle, doch sie ist sehr reduziert und daher für Gesetze, Verträge und Debatten ungeeignet. Deshalb musste eine zweite Sprache her. Auf den ersten Blick lag die Wahl nahe, denn Osttimor war rund 350 Jahre lang eine portugiesische Kolonie. Doch seit Indonesien das Gebiet 1975 annektierte, wurde in den Schulen Indonesisch gelehrt. Nur noch fünf Prozent der Bevölkerung sprechen Portugiesisch.

„Portugiesisch als offizielle Sprache? Das ist nur was für die Elite“, meint Manuel. Er hat einen Stand auf dem Markt in Dili, wo er Töpfe, Servietten und Kekse verkauft. „Hier, wo die einfachen Leute sind, wird nur Tetum oder Indonesisch gesprochen“, sagt er, „wie sollen wir portugiesisch lernen? Das kostet Zeit und Geld, beides haben wir nicht“. Der Vorwurf, dass sich die kleine Elite des Landes durch die Sprachentscheidung absondern will, wird lauter. Präsident Xanana Gusmao, Außenminister Ramos Horta und viele Parlamentsabgeordneten sind meist älter als 50 Jahre alt und sprechen die Sprache der ehemaligen Kolonialherren fließend und gerne.

Eine Bildungsoffensive soll nun auch die junge Generation an die neue Sprache heranführen – und das Land, dass sich über die Wahl freut, will dabei helfen: Portugal schickt 141 Lehrer in das junge Land. Insgesamt sollen bald 300 Portugiesischlehrer den 750 000 Osttimoresen Sprachunterricht erteilen. Da dies in der Praxis unmöglich ist, will man sich auf Kinder und Studenten konzentrieren. Doch selbst an den Universitäten wird über die „komplizierte Sprache“ geklagt, wie Landwirtschaftstudent Pedro sagt. 24 Jahre indonesische Unterdrückung hin oder her, „Indonesisch wäre praktischer gewesen“, glaubt er. Außenminister Ramos Horta verteidigt indes die Entscheidung. Portugiesisch habe in Osttimor eine jahrhundertelange Tradition, auch wenn sich einige für Englisch ausgesprochen hätten. „Aber ich sehe nicht, dass viele Osttimoresen künftig nach Singapur zum Einkaufen fliegen. Da könnten sie Englisch gebrauchen.“

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