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Politik: Ein bisschen Freiheit

Hamburger SPD-Mitglieder gründen den „Kreis Liberaler Sozialdemokraten“

Es soll ein Aufbruchsignal aus Hamburg sein: Rund 100 SPD-Mitglieder haben dort den „Kreis Liberaler Sozialdemokraten“ ins Leben gerufen und wollen ihre Initiative bundesweit etablieren. In einer Zeit, in der bei den Genossen um den richtigen Kurs und die richtige Spitzenpersonalie für die nächste Kanzlerkandidatur gestritten wird, erhält die parteiinterne Debatte nun neue alte Nahrung mit der Botschaft, sich nicht ständig neu zu erfinden, sondern eigentlich nur neu zu besinnen – aber bitte schön auf alte Tugenden.

Was die „Liberalen Sozialdemokraten“ darunter verstehen, gab der frühere Bundesfinanz- und Wirtschaftsminister Manfred Lahnstein auf der Auftaktveranstaltung zum Besten. Immer wieder ermunterte er zur Rückbesinnung auf das Godesberger Programm von 1959, das eine „überraschende Aktualität“ beinhalte, „wenn man es nur richtig liest“. Dagegen ließ er kein gutes Haar am 2007 in Hamburg verabschiedeten aktuellen programmatischen Leitfaden der Partei. Gerade das Soziale betreffend erinnere das Hamburger Programm ihn an eine „Kombination aus ADAC-Pannenhilfe und Caritas“, sagte der 73-Jährige. Applaus heimste er vor allem von einem Publikum im Studentenalter ein.

Immer wieder geisterte in der Diskussion auch der Name des letzten Finanzministers in der Großen Koalition, Peer Steinbrück, durch die Reihen. Mit ihrer Gründung hat dieser neue Minizirkel innerhalb der SPD sich gleich ein achteinhalbseitiges Manifest verpasst. Einer der Sprecher ist Danial Ilkhanipour, ehemaliger Juso-Chef in Hamburg . Wegen seiner seiner erfolgreichen Kampfkandidatur gegen den Parteilinken Niels Annen zur letzten Bundestagswahl war er in der Partei angefeindet worden, umso mehr, nachdem er in seinem Wahlkreis, einer ehemals sozialdemokratischen Hochburg, eine krachende Niederlage eingesteckt hatte. Ilkhanipour machte deutlich, dass es der neuen Gruppierung nicht um eine Koalitionsaussage mit der FDP gehe, sondern um eine „Positionierung ohne klassische parteipolitische Scheuklappen“. Liberale Errungenschaften, etwa der Freiheitsbegriff, würden zunehmend ausgehöhlt und aufgegeben. Für ein hier entstehendes Vakuum sehen sich die „Liberalen Sozialdemokraten“ bereit, so Ilkhanipour. Die Themen Bürgerrechte und ein gerechteres Steuersystem dürfe man nicht länger nur der so sehr mit sich selbst beschäftigten FDP überlassen.

In Hamburg konnte es vor der Bürgerschaftswahl im Februar gerade noch verhindert werden, dass die selbst ernannten Parteiliberalen an die Öffentlichkeit gehen. Nach dem Wahlsieg möchte sich niemand aus der Parteiführung in der Hansestadt öffentlich zu dem Thema äußern. Ein führender SPD-Mitarbeiter sagt allerdings, die Parteispitze habe beschlossen, die Gruppe, so lange sie keine Ansprüche stelle, zu tolerieren, sie aber nicht zu kommentieren. Ilkhanipour versteht die Aufregung nicht. Er könne die Arbeit des Bürgermeisters Olaf Scholz nur loben. Man wolle sich über Hamburg hinaus in den innerparteilichen Diskurs einbringen.

Das Treffen in Hamburg präsentierte sich als Zeitreise in eine vergangene, funktionierende sozialliberale Harmonie. Denn wo sonst konnte man zuletzt erleben, dass eine Ahnengalerie früherer SPD- und FDP-Spitzen hoch gehalten wurde, namentlich Karl Schiller, Willy Brandt, Helmut Schmidt, Walter Scheel, Ralf Dahrendorf, Hans-Dietrich Genscher und Karl-Hermann Flach. Ein FDP-Zuhörer berief sich noch auf die programmatischen Freiburger Thesen seiner Partei von Oktober 1971 – auch Teile der FDP durchleben offenbar gerade eine Sehnsucht nach Nostalgie.

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