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Politik: Ein Gefühl für Energie

Von Bernd Hops

Gerhard Schröder ist am stärksten, wenn er Krisen bewältigen muss. Jetzt versucht sich der Kanzler im Endspurt des Wahlkampfs an der Energiekrise, vor der sich die Welt und der deutsche Verbraucher fürchten. Nebenher kann er auch noch beim Treffen mit seinem engen Freund, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, zeigen, dass er Nahrung für den deutschen Energiehunger besorgt – durch eine neue Gaspipeline. Schröders Herausforderin Angela Merkel hat ebenfalls versucht, sich bei dem Thema als Macherin zu profilieren. Dass die strategischen Ölreserven, wie von ihr gefordert, nicht schnell auf den Markt geworfen werden können, spielte da keine Rolle. Als nächstes publikumswirksames Thema wurde nun die Bindung der Gaspreise ans Öl entdeckt.

Doch die aktuelle Energiepreiskrise ist keine Flutkatastrophe. Hier helfen keine Notpakete, Krisensitzungen und kräftigen Worte. Hier ist mehr gefragt als Wahlkampfgetöse und der populistische Verweis auf die Gier der Konzerne. Auch die freigegebenen Ölreserven haben die Preisspitze vorerst nur gebrochen – teuer bleibt Energie weiterhin.

Eine umfassende Energiestrategie fehlt. Das Ziel muss sein, den Verbrauch deutlich zu senken – durch effizientere Technik und erneuerbare Energien. Die 80er Jahre haben gezeigt, wie man richtig reagiert. Da wurden dank intensiver Forschung massive Fortschritte bei der Effizienz gemacht. Davon zehren wir noch heute.

Diskussionen, von wem sich Deutschland heute eher bei Gas- und Öllieferungen abhängig machen sollte, führen daher in die Irre. Energie werden wir immer bekommen, egal ob aus Russland oder den Golfstaaten. Länder, die Gas und Öl in ihrem Boden haben, werden es verkaufen. Selbst im Kalten Krieg gab es zuverlässig russisches Erdgas für deutsche Verbraucher. Die arabischen Staaten, die 1973 versucht haben, Öl als Druckmittel einzusetzen, stellten schnell fest, wie stumpf diese Waffe ist. Heute sind die arabischen Ölländer von Rohstoffeinnahmen noch viel stärker abhängig, egal, ob da Scheichs oder Fundamentalisten regieren.

Die beiden wichtigen Energieträger Öl und Gas wird es deshalb auch in den nächsten Jahrzehnten ausreichend auf den Märkten zu kaufen geben. Die Frage ist nur: zu welchem Preis? Derzeit erleben wir, dass auch eine monatelange Überversorgung wie beim Öl keine Versicherung gegen Rekordpreise bietet. Das Gleiche wird auch fürs Gas gelten. Kurzfristig könnte die Abkopplung des Gaspreises von der Entwicklung beim Öl durchaus positiv für die Verbraucher bemerkbar machen. Tatsächlich ist der gesamte Mechanismus, wie der Gaspreis zu Stande kommt, undurchsichtig. Eine Abkopplung würde zu mehr Klarheit führen – aber auch zu mehr Wettbewerb? Es gibt Unternehmen, die stärker auf dem deutschen Markt einsteigen wollen, was zu sinkenden Preisen führen könnte. Diese Unternehmen werden aber nicht durch die Gaspreisbindung gehindert, sondern dadurch, dass Gas weit schwieriger zu verteilen ist als Öl – und die Netze in der Hand weniger Unternehmen liegen.

Statt sich nun in Aktionismus und der Pose des Machers zu üben, wäre eine andere wichtige Eigenschaft eines Spitzenpolitikers bei Schröder und Merkel gefragt: die des Visionärs. Bisher gibt es nur das Schlagwort „Weg vom Öl“. Das muss mit Inhalt gefüllt werden. Den sind sowohl Merkel als auch Schröder bisher den Wählern schuldig geblieben. Dabei könnten sie gerade hier zeigen, was Politik leisten kann.

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