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Politik: Ein Grund zum Feiern? Menschenrechtsbeauftragter Gerd Poppe zum Jubiläum

Vielleicht hat ja der eine oder andere Spitzenpolitiker des Westens vor dem Absenden seines Glückwunschtelegramms zum 50. Geburtstag der Gründung der Volksrepublik China kurz innegehalten und sich einige Stationen auf dem vom kommunistischen China zurückgelegten Weg in Erinnerung gerufen: die Flucht des Dalai Lama aus Tibet vor 40 Jahren, die noch vor 30 Jahren wütende maoistische "Kulturrevolution", die Zerschlagung der "Mauer der Demokratie" (Aktionen vor 20 Jahren), schließlich die brutale Niederwerfung der Demokratiebewegung vom Tienanmen-Platz vor gut zehn Jahren.

Vielleicht hat ja der eine oder andere Spitzenpolitiker des Westens vor dem Absenden seines Glückwunschtelegramms zum 50. Geburtstag der Gründung der Volksrepublik China kurz innegehalten und sich einige Stationen auf dem vom kommunistischen China zurückgelegten Weg in Erinnerung gerufen: die Flucht des Dalai Lama aus Tibet vor 40 Jahren, die noch vor 30 Jahren wütende maoistische "Kulturrevolution", die Zerschlagung der "Mauer der Demokratie" (Aktionen vor 20 Jahren), schließlich die brutale Niederwerfung der Demokratiebewegung vom Tienanmen-Platz vor gut zehn Jahren. Letztere fand statt, als in Mittel- und Osteuropa das Ende des sowjetischen Systems bereits eingeläutet war. Es wurde - nach den Glückwünschen der SED-Führung an Peking nicht ganz unbegründet - befürchtet, dass auch dort das Militär gegen friedliche Demonstranten eingesetzt werden könnte. Dennoch war die Bürgerbewegung des Herbstes 1989 eher vom Mut der chinesischen Studenten und Arbeiter beflügelt als von der Gefahr einer "chinesischen Lösung" verängstigt.

Mit dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums ist die Volksrepublik zur einzig relevanten kommunistischen Macht geworden, zu einer Großmacht, die zugleich mit vielen Merkmalen eines Entwicklungslandes versehen ist, was auch chinesische Politiker in aller Offenheit beschreiben. Diese, insbesondere die mittlere und jüngere Generation, sind zu pragmatischem und undogmatischem Vorgehen fähig, vor allem wenn es um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes geht. Eingriffe des Staates in wirtschaftliches Handeln sind seltener als in der Mao-Zeit geworden, Verwaltungshandeln soll berechenbarer gemacht werden, westliche Erfahrungen werden nicht mehr nur verteufelt, die Informationsmöglichkeiten über die neuen Medien sind trotz aller Restriktionen besser geworden.

Inzwischen wurde der "sozialistische Rechtsstaat" verkündet, der jedoch vom Rechtsstaat meilenweit entfernt bleiben wird, solange der Machtanspruch der KP Chinas fortbesteht. Demokratische Wahlen finden nicht statt - von der untersten Dorfebene einmal abgesehen. Pressefreiheit besteht nicht, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit nur, soweit sie nicht gegen den alleinigen Anspruch der KP gerichtet ist. Die Gründer einer demokratischen Partei wurden Ende 1998 zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, weitere Prozesse haben im August begonnen.

Fast täglich wird von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen berichtet. In keinem anderen Land der Erde wird so häufig die Todesstrafe verhängt und vollstreckt wie in China. Auch von der so genannten "Administrativhaft", mit der Verwaltungsbehörden missliebige Personen ohne Gerichtsurteil in Arbeitslagern verschwinden lassen können, will China nicht abrücken. Bestrebungen um größere kulturelle oder religiöse Autonomie werden mit unverminderter Härte verfolgt, vor allem in Tibet, aber auch in Xinjiang und der inneren Mongolei.

China bezeichnet Kritik an Menschenrechtsverletzungen nach wie vor als "Einmischung in innere Angelegenheiten". Im Gegensatz zu UN-Generalsekretär Kofi Annan und auch Bundesaußenminister Fischer bei der 54. Generalversammlung der Vereinten Nationen beharrt die chinesische Regierung auf dem Vorrang der staatlichen Souveränität gegenüber den Ansprüchen der Staatengemeinschaft auf Durchsetzung der universellen und unteilbaren Menschenrechte. Dennoch hat China die beiden Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen unterzeichnet und muss sich, auch wenn die Ratifizierung noch aussteht, an der Beachtung der darin formulierten Rechte messen lassen. Die von China und einigen anderen Staaten versuchte Relativierung der Menschenrechte, begründet mit einer unterschiedlichen Geschichte oder Kultur, widerspricht dem universellen Charakter dieser Rechte und kann deswegen nicht hingenommen werden.

Der zwiespältige Umgang der Pekinger Führung mit den Menschenrechten - Reform und zugleich anhaltende Repression im Innern, Gesprächsbereitschaft und zugleich Blockaden in den Außenbeziehungen - wirft für uns immer wieder die Frage der Gestaltung unserer Beziehungen zum bevölkerungsreichsten Land der Erde mit einem der wichtigsten Zukunftsmärkte auf. Die Antwort kann nur lauten, der Vielschichtigkeit der Probleme mit entsprechend differenzierter Politik zu begegnen. Unsere öffentlich vorgetragene Kritik wird nicht verstummen; der Dialog wird fortgesetzt, muss sich aber an nachprüfbaren Erfolgen messen lassen. Auch die deutsche Wirtschaft kann - etwa durch Einhaltung von Mindeststandards - einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Menschenrechte leisten. 50 Jahre Volksrepublik China: kein Grund zum Feiern - aber auch kein Grund zur Resignation.Der Autor ist Beauftragter für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt.

Der Autor ist Beauftragter für Menschenrechte

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