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Politik: Ein juristisches Gutachten soll den Altkanzler entlasten - mit einer recht idyllischen Deutung der CDU-Spendenaffäre

"Wir kennen Herrn Professor Otto nur aus der Literatur", sagt Stefan Holthoff-Pförtner. Vielleicht hätte Helmut Kohls Anwalt besser daran getan, sich mit dem Strafrechtslehrer Harro Otto aus Bayreuth etwas umfassender vertraut zu machen.

Von Robert Birnbaum

"Wir kennen Herrn Professor Otto nur aus der Literatur", sagt Stefan Holthoff-Pförtner. Vielleicht hätte Helmut Kohls Anwalt besser daran getan, sich mit dem Strafrechtslehrer Harro Otto aus Bayreuth etwas umfassender vertraut zu machen. Der Jura-Professor hat im Auftrag der Kohl-Anwälte zwei Gutachten erstellt. Otto kommt zu dem Schluss, dass der Altkanzler sich in der Spendenaffäre keiner Untreue schuldig gemacht habe und vor dem Spenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages nach Belieben schweigen dürfe. Doch was der Jurist am Freitag im feinen Hotel Four Seasons übers Schriftliche hinaus zum Besten gibt, daran wird Kohl noch zu knacken haben.

Hat sich Helmut Kohl der Untreue nach Paragraph 266, Absatz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) schuldig gemacht? Vermutlich, sagt die Staatsanwaltschaft Bonn und ermittelt. Nein, sagt Otto in seinem Gutachten. Denn Untreue setze voraus, dass erstens der Täter seine Pflichten im Umgang mit ihm anvertrauten Vermögen verletzt und zweitens demjenigen, dem er verpflichtet ist, damit einen Nachteil zufügt. Das klingt genauso kompliziert, wie es ist.

Weil es den Juristen nicht anders geht, haben sie sich das Leben etwas einfacher gemacht. Die Gerichte nehmen zum Beispiel schon die Existenz schwarzer Konten als starkes Indiz für Untreue. Ottos Argumentation zielt folgerichtig darauf ab, die schwarzen Kassen allenfalls grau erscheinen zu lassen. Dass Kohl gegen das Gesetz verstoßen hat, als er Spenden annahm, aber die Namen der Spender verschwieg, sei ja unstrittig, sagt der Professor. Aber Untreue? Nein. Denn - so Otto - das Geld landete nicht auf einem Kohl-Konto, sondern bei den Zuständigen: beim CDU-Finanzverwalter Terlinden, beim Generalbevollmächtigten Lüthje, beim Wirtschaftsberater Weyrauch. Alles in Ordnung, alles in der Herrschaft der Partei.

Das ist nun freilich eine recht idyllische Deutung der Tatsachen: Das Trio Lüthje, Terlinden und Weyrauch als treu sorgende CDU-Verwalter, über deren Wirken Kohl sozusagen nichts gewusst hat? Die Bonner Staatsanwälte zum Beispiel sehen das deutlich anders: Sie gehen davon aus, dass Kohl sehr wohl zu jedem Zeitpunkt die Hand auf dem Geld gehabt hat. Überhaupt bezieht Ottos Expertise ihre juristische Schlüssigkeit in weiten Teilen daraus, dass der Sachverhalt der Analyse angepasst ist und nicht umgekehrt. Weyrauch habe die Gelder "jederzeit für die Partei" bereitgehalten - nur wusste die leider gar nichts davon. Und sollte ja auch nichts wissen. Um keine Begehrlichkeiten aufkommen zu lassen, wie Holthoff-Pförtner anmerkt; oder mit Ottos Worten: "Es soll seit Adenauers Zeiten so eine Verfügung qua regnum gegeben haben." Womit wir bei der Frage wären, ob denn König Kohl das Geld wirklich zum bestimmungsgemäßen Zweck einsetzte.

Ja, schreibt Otto, denn es sei alles für die "staatspolitischen Aufgaben" der Partei ausgegeben worden, nichts für Kohl persönlich. Also kein Schaden für die CDU, und wo kein Schaden ist, könne keine Untreue sein. Hätte es Otto dabei belassen, Kohls Anwalt hätte kaum um so bedenklicher dreingeschaut, je länger die Pressekonferenz dauerte. Doch der Professor gab bereitwillig auch Antworten auf eher allgemeine Fragen. Wenn zum Beispiel jemand Geld, das der Partei zustehe, zu persönlichen Zwecken missbrauche, also auch, um seine eigene Stellung zu stärken - das, so der Jurist, würde er als Untreue werten. Auch "wenn jemand, der unruhig ist in der Partei, mit Geld gefüttert wird, wäre für mich die Grenze überschritten", sagte er freimütig.

Das sind nun freilich die Vorwürfe, die dem Altkanzler zumindest politisch gemacht werden: Dass er mit dem beiseite geschafften "Bimbes" nach Gutdünken verfahren und sich die eigene Partei gewogen gemacht habe. Was Otto noch nicht so schlimm findet, solange nicht ein Landesverband über alle Maßen begünstigt worden sei. Aber was war dann mit jenen 100 000 Mark, die der Kreisverband Ludwigshafen aus Weyrauchs Schwarzgeldreich bekam? Ausgerechnet Kohls Heimatverband, und ausgerechnet das einzige Mal, dass nicht ein Landesverband, sondern eine untergeordnete Kreis-CDU direkt von der Bundespartei unterstützt wurde? Da zuckt Otto mit den Schultern und bekundet Unkenntnis: Er wisse nicht, was üblich sei bei den Christdemokraten. "Ich glaube nicht, dass das sehr egoistische Maßnahmen waren", sagt er, "sondern dass Ruhe im Bau war."

Bleibt nachzutragen, dass Otto dem Altkanzler ein allumfassendes Schweigerecht im Untersuchungsausschuss attestiert, und zwar nicht nur in Sachen Spenden. Könne Kohl denn wissen, ob nicht eine Aussage im zweiten Komplex, der Frage nach der Bestechlichkeit der Regierung Kohl in Panzer- und sonstigen Geschäften, auch im Untreue-Strafverfahren gegen ihn verwandt werden könne? Und für alle, die diese Verbindung nicht unmittelbar einsehen, hat der Professor ein Beispiel zur Hand: Man möge nur mal daran denken, dass womöglich einer der Spender unter denen gewesen sei, denen das Panzer-Geschäft einen Vorteil gebracht habe! Da zieht der Anwalt Holthoff-Pförtner schon wieder ein unglückliches Gesicht. Kohl, versichert er, wolle ja gar nicht nur schweigen, sondern im Gegenteil reden.

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