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Politik: Ein Land am Tropf

UN bittet vor Wintereinbruch dringend um Spenden für Nordkorea – sogar die Schulspeisung wurde gestrichen

Von Harald Maass, Peking

Millionen Nordkoreanern droht in diesem Winter eine Hungersnot, weil Nahrungsmittelspenden aus dem Ausland ausbleiben. Einer Million Kinder im Westen des Landes musste im September die tägliche Schulspeisung von 200 Gramm Reis gestrichen werden, teilte das Ernährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) am Montag in Peking mit. Bis Ende des Jahres könnten drei Millionen Menschen von der Versorgung durch das WFP abgeschnitten werden.

„Wir versuchen Kinder und andere Bedürftige so lange wie möglich zu versorgen“, sagte der WFP-Landesbeauftragte für Nordkorea, Rick Corsino. Bislang sei unklar, wie die Ernte in diesem Jahr ausfallen werde. Ohne rasche Spenden aus dem Ausland sei jedoch eine ausreichende Versorgung im Winter nicht mehr möglich. Dafür seien mindestens 110 000 Tonnen Getreide nötig.

Die Kürzungen träfen besonders die Schwachen – Kinder, alte Menschen und schwangere Frauen, sagte Corsino. „Sie leben schon jetzt am Abgrund." Nach Angaben Nordkoreas sind 45 Prozent der Kinder unter fünf Jahren chronisch unterernährt. UN-Ernährungsexperten betonen, dass Mangelernährung die Lernfähigkeit von Kindern beeinträchtigt und langfristige Schäden verursacht. „Wenn der harte nordkoreanische Winter anbricht, werden die Betroffenen schwer damit umgehen können“, warnte Corsino.

Zwei Drittel der 23 Millionen Nordkoreaner werden nach UN-Angaben durch Lebensmittelspenden aus dem Ausland ernährt. Nordkorea ist damit der größte Empfänger von Nahrungsmitteln durch die Vereinten Nationen weltweit. Die Spenden stammen hauptsächlich aus den USA, Südkorea und Europa. Ein Grund für den Versorgungsengpass ist die Entscheidung Japans, dieses Jahr keine Nahrungsmittel nach Nordkorea zu schicken. 2000 hatte Tokio dem Nachbarland 100 000 und 2001 sogar 500 000 Tonnen Reis und Getreide gespendet.

Am Wochenende erklärte die Regierungspartei in Tokio, dass es weitere Hilfslieferungen nur nach einer politischen Annäherung geben werde. Tokio verlangt von Pjöngjang mehr Informationen über das Schicksal von Japanern, die in den 70er und 80er Jahren nach Nordkorea entführt wurden.

Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass Nordkorea noch auf Jahre hinaus auf Lebensmittellieferungen aus dem Ausland angewiesen sein wird. Die Industrie und die Landwirtschaft in dem isolierten Land liege am Boden, berichten westliche Diplomaten. Selbst in der Hauptstadt Pjöngjang gebe es keine durchgehende Stromversorgung. In den meisten Städten müssen die Nordkoreaner ohne eine funktionierende Heizung den Winter überstehen.

Im Juli hatte die Regierung eine Preis- und Währungsreform gestartet, um die Produktion in der Landwirtschaft anzukurbeln. „In den staatlichen Verteilungszentren werden Lebensmittel jetzt zu Marktpreisen verkauft“, berichtete Corsino. Eine mögliche Gefahr sei, dass Teile der Bevölkerung durch das soziale Netz fallen könnten. Bisher hatten Nordkoreaner vom Staat Lebensmittelkupons für 300 Gramm Nahrung pro Tag erhalten - was etwa der Hälfte der international empfohlenen Lebensmittelration entspricht.

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