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Politik: Ein Lob dem Kalten Krieg

Ex-DDR-Spione finden an ihrer Arbeit als „Kundschafter im Westen“ nichts Ehrenrühriges

Von Matthias Meisner

Auf die Rosenholz-Dateien, auf denen der US-Geheimdienst Unterlagen der Hauptverwaltung Aufklärung gespeichert hat, kommt Werner Großmann erst zum Schluss und auch nur auf Nachfrage zu sprechen. Der letzte Chef der DDR-Auslandsspionage zieht dazu eine vorbereitete Erklärung hervor, wonach die „Gauck-Birthler-Behörde von Verfolgungswahn besessen“ sei. Sie gehöre geschlossen, weil sie doch nur „rechtswidrig“ Namen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter öffentlich mache, um diese „gesellschaftlich zu ächten“. Die Rosenholz-Daten, die 1989 auf ungeklärte Weise in den Besitz der CIA gelangt waren, hätten „nichts Authentisches“, fügt Großmann noch hinzu. Und zitiert den letzten DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel, der richtigerweise festgestellt habe, Rosenholz sei „keinen Pfifferling wert“.

Ortstermin in Berlin-Lichtenberg: Ein Verein, der sich auch für die Interessen von ehemaligen Stasi-Spitzeln einsetzt, hat Raum gegeben für die Präsentation des Buches „Kundschafter im Westen“. 30 DDR-Spione – von Willy Brandts Referenten Günter Guillaume bis zu Rainer Rupp alias „Topas“ – wollen mit Berichten über ihre Agententätigkeit ihr Bild in der Öffentlichkeit korrigieren. Die Vorstellung des Buches im Schöneberger Rathaus, symbolisch geplant unter der Freiheitsglocke, war vom zuständigen Stadtrat und CDU-Generalsekretär Gerhard Lawrentz verboten worden. Jetzt drehen Großmann und sein Vorgänger Markus Wolf, die das Geleitwort für den Sammelband geschrieben haben, den Spieß um – und nennen die Leute der Hauptstadt-CDU „übrig gebliebene kalte Krieger“ und „politische Kleingeister“.

Gegenseitig loben die Ex-Geheimdienstleute ihre Leistung, in „wichtigste Zentren der BRD“ eingedrungen zu sein. „Höchste Wertschätzung“ verdienten die ehemaligen Kundschafter, sagt Großmann: „Ich bin glücklich und froh, mit solch integren Menschen in Kontakt gestanden zu haben.“ Nichts Verbrecherisches, nichts Unehrenhaftes sei die Kundschafter-Tätigkeit gewesen. Er sei enttäuscht, dass viele sich heute für ihren „großen Beitrag zur Sicherung des Friedens“ schämten. Als Stasi-Vorwürfe gegen PDS-Chef Lothar Bisky laut wurden, hätte er geraten, mit einem „Na und?“ zu reagieren. Doch ohnehin fühle er sich von der PDS „kaum noch vertreten“, sagt Großmann.

Für den Geheimdienst einer Diktatur spioniert zu haben – bedarf das nicht einer Distanzierung? „Ich habe meine Arbeit gemacht, wie es sich gehört“, sagt Johanna Olbricht, die in den 80er Jahren als „Sonja Lüneburg“ Sekretärin von Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP) war. Doris Pumphrey aus Bayern, die Ende der 80er-Jahre in der Grünen-Bundestagsfraktion spionierte, malte sich, wie nun nachzulesen ist, die DDR nach einem Flug nach Berlin schön: „Die Bundesrepublik wirkte schrecklich kleinkariert: Die Felder waren klein. Die Felder in der DDR schienen großzügig.“ Und: Nach Passieren des Grenzübergangs Friedrichstraße „viel Betrieb auf der Straße, das Geknatter der Trabis in allen Bonbonfarben“.

Vor dem Lichtenberger Büro demonstrieren ein paar Aktive vom „Bund stalinistisch Verfolgter“. Auf einem Transparent steht „Stasi-,Kundschafter’ = Erpresser, Zersetzer, Verschlepper“. Wolf tut den Protest ab. „Einige ältere Herren“, sagt er: „Das gehört schon zum Ritual.“

Klaus Eichner/Gotthold Schramm (Hrsg.), Kundschafter im Westen, Edition Ost, 383 Seiten, 17,50 Euro.

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