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Politik: Ein Marshall-Plan für Afrika

Der britische Premier will die Hilfen verdoppeln – ziehen die G-8-Staaten mit?

Afrika verliert den Anschluss. Das haben auch die Regierungen der wohlhabenden Staaten gemerkt – und es setzt sie unter Druck. Bis 2015 will die internationale Gemeinschaft weltweit die Armut halbieren. In Afrika jedoch sind kaum Fortschritte erkennbar. Aids, Bürgerkriege und Korruption drohen das Elend auf dem Kontinent sogar noch zu verschlimmern. Deshalb will der britische Premier Tony Blair die wichtigsten Industriestaaten (G-8) dazu bringen, ihre Entwicklungshilfe für Afrika sofort zu verdoppeln – durch eine Anleihe auf künftige Zuwendungen. Blair hat Afrika ganz oben auf die Tagesordnung seiner diesjährigen Präsidentschaft im Kreis der G-8-Staaten gesetzt.

In einer Welt wachsenden Wohlstands sei es eine Obszönität, dass in diesem Jahr vier Millionen Kinder in Afrika vor ihrem fünften Geburtstag sterben werden, sagte Blair am Freitag bei der Vorstellung des Berichts einer von ihm eingesetzten Afrikakommission. Für ihn geht es um eine „fundamentale Herausforderung für unsere Generation“. Die reichen Länder sollen sich daher verpflichten, jährlich 25 Milliarden Dollar (19 Milliarden Euro) zusätzlich für Afrika zur Verfügung zu stellen. Nach 2010 sollen die Zusagen möglichst noch einmal verdoppelt werden. Gezahlt werden muss aber nicht sofort. Auf Basis der Versprechen wollen Blair und sein Schatzkanzler Gordon Brown auf den internationalen Finanzmärkten Kredite für rasche Hilfe aufnehmen.

Mit dem Geld soll eine Art Marshall-Plan für Afrika finanziert werden, „eine Großoffensive, die an vielen Fronten gleichzeitig einsetzt“, wie es in dem Bericht der international besetzten Kommission heißt. Vorgeschlagen werden vor allem Investitionen in die Infrastruktur des Kontinents, breit angelegte Bildungs- und Gesundheitsprojekte sowie Initiativen zur Krisenprävention. Gleichzeitig sollen die Industriestaaten Handelshemmnisse für Produkte aus Afrika abbauen und auf Subventionen für die eigene Landwirtschaft verzichten. Im Gegenzug werden die afrikanischen Regierungen aufgefordert, Korruption zu bekämpfen und eine verantwortungsvolle Politik zu betreiben – Hausaufgaben, zu denen sich die Afrikaner 2001 bereits in einem eigenen Entwicklungsplan (Nepad) bekannt haben.

Im deutschen Entwicklungsministerium wurden Blairs Vorschläge zurückhaltend aufgenommen. „Grundsätzlich finde ich es gut, dass die Briten Afrika auf die Tagesordnung des kommenden G-8-Gipfels setzen wollen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass neue Zusagen mit konkreteren Verpflichtungen für Reformen auf der Partnerseite verknüpft werden“, sagte die Grüne Staatssekretärin Uschi Eid dem Tagesspiegel. Durch eine einfache Verdopplung der Hilfe könnte die Reformdynamik der letzten Jahre nachlassen, fürchtet sie.

Auch Experten sind skeptisch. „Es ist problematisch, einfach eine Zahl zu nennen und davon auszugehen, dass dieses Geld besser genutzt wird als die bisherige Hilfe“, gibt der Direktor des Hamburger Instituts für Afrikakunde, Andreas Mehler, zu bedenken. Wie Eid plädiert er für klare Reformvereinbarungen, damit die Investitionen nicht versickern oder gar auf den Konten von Politikern landen.

Blairs Projekt wird es aber ohnehin schwer haben. Kaum eine westliche Regierung sieht sich derzeit in der Lage, ihre Entwicklungshilfe deutlich zu erhöhen, oder ist bereit, Verpflichtungen für die Zukunft einzugehen. „Wenn wir uns verschulden, müssen wir wissen, wie wir das später finanzieren“, sagt Eid.

Sie warnt die G-8-Staaten davor, sich nun in eine Finanzdebatte zu verstricken, „denn ein Finanzmodell sagt noch nichts über die Qualität der Hilfe aus.“ Entscheidender für die Entwicklung Afrikas seien strukturelle Reformen in den Ländern selbst, so, wie sie die Regierungen in ihrem Entwicklungsplan Nepad formuliert hätten. „Aber auch eine Marktöffnung und der Abbau von Agrarsubventionen im Norden sind Voraussetzungen für den Erfolg." Dazu hat indes auch die EU bislang wenig Bereitschaft erkennen lassen.

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