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Politik: Ein paar Worte zu viel

Von Malte Lehming

Sind Westler leichtsinnig oder Muslime leicht erregbar? Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres führt eine scheinbare Bagatelle zu einem großkulturellen Konflikt. Es begann mit den Karikaturen des Propheten Mohammed, abgedruckt in einer kleinen dänischen Zeitung. Sie führten zu Protestdemonstrationen, Fahnenverbrennungen, Boykottaufrufen. Es gab Tote und Verletzte. Die Heftigkeit der Reaktionen überraschte. Zu dem Anlass standen sie in keinem nachvollziehbaren Verhältnis.

Jetzt haben Bemerkungen des Papstes ähnliche Eruptionen verursacht. In der Universität Regensburg hatte er aus einem mittelalterlichen Streitgespräch zwischen einem byzantinischen Kaiser und einem gebildeten Perser zitiert. Der Kaiser wirft dem Perser vor: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“ Diese Ansicht des Kaisers lässt Benedikt XVI. unwidersprochen.

Das rächt sich nun. In der Türkei wird der Pontifex mit Hitler und Mussolini verglichen. Sein für Ende November geplanter Besuch in dem Land gilt bereits als schwer belastet. Aus Ägypten heißt es, der Papst entflamme den Hass in der ganzen muslimischen Welt, seine Äußerungen bedrohten „den Weltfrieden“. Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), der 57 Staaten angehören, spricht von einer „Verleumdungskampagne“. Nicht auszuschließen, dass auch diese kulturell-religiöse Verwerfung noch zu Toten und Verletzten führt.

Im Karikaturenstreit stand der Papst auf Seiten der Muslime. Die Verletzung religiöser Gefühle sei durch die Meinungsfreiheit nicht legitimiert. Schutz des Religiösen, keine volle Emanzipation der Frau, rigide Sexualmoral, Fortschrittsskepsis: Gläubige Katholiken und Muslime stehen sich durchaus nahe. Umso vehementer fällt nun die Verdammung des Papstes aus. Zu seiner Verteidigung ließe sich sagen, dass der oberschlaue Gelehrte in ihm – zumal im Rahmen einer Vorlesung an einer Universität, nicht etwa in einer Predigt –, einen Moment lang präsenter war, als es das Gebot der Umsicht erlaubt. Keine Absicht also, sondern Fahrlässigkeit.

Doch erstens wiegt dies kaum weniger schwer, und zweitens besteht Grund zu der Vermutung, dass dieser Papst den Islam tatsächlich theologisch unter Druck setzen will. Die Spur dieses Verdachts reicht von seinem recht offensiv geführten Gespräch mit Vertretern des Islam vor gut einem Jahr in Köln bis zu seiner ersten Enzyklika – der christliche Gott der Liebe als Antithese zu jenem Gott, mit dem „die Rache oder gar die Pflicht zu Hass und Gewalt verbunden wird“. Die Signale dieses Mannes erschließen sich dennoch nur schwer. Benedikt XVI. plädiert inständig für einen Dialog mit dem Islam, er fordert von Bundespräsident Horst Köhler, die Muslime in Deutschland besser zu integrieren, gleichzeitig unterscheidet er nicht radikal genug zwischen Islam und Islamismus. Vielmehr nährt er das Vorurteil, das eine stünde in direkter Beziehung zu dem anderen. Damit spricht er nur aus, was viele denken: Wer das jetzt frohlockend aus seiner Mini-Vorlesung ableitet, forciert den Krach der Kulturen.

Ist Streit stets negativ? Ein ernsthafter religiöser Dialog kann als Vorbedingung nicht die Verleugnung der jeweils eigenen Identität haben. Lauwarme Einheitsbekundungen taugen nichts. Historische Aufrechnungen wiederum – Kreuzzüge versus Dschihad – sind aktuell ebenso wenig erhellend wie das Herunterleiern möglichst unangreifbarer Textstellen aus Bibel und Koran. Doch die eigene Identität zu formulieren, darf nicht bedeuten, den anderen auf die Anklagebank zu setzen. Kommunikation durch Konfrontation: Diese Strategie hat ihre Grenze dort, wo sich der Angesprochene nicht mehr herausgefordert, sondern beleidigt fühlt. Papst Benedikt XVI. ist ein Meister des Wortes. Er sollte, möglichst rasch, die Gelegenheit nutzen, sein Verhältnis zum Islam zu klären, öffentlich. Nicht für sich, sondern für alle.

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