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Krankenversicherung: Ein Polster, das keinen ruhen lässt

Die Krankenversicherung hat Überschüsse – nun rangeln Politik, Kassen und Verbände darum, wie man mit den Milliarden verfahren soll.

In den Töpfen der Krankenkassen ist noch mehr Geld als ohnehin schon erwartet. Auf rekordverdächtige vier Milliarden Euro summieren sich in der Endrechnung die Überschüsse der gesetzlichen Versicherer aus dem Jahr 2011. Ihren Einnahmen von 183,6 Milliarden Euro standen Ausgaben von 179,6 Milliarden Euro gegenüber. Zusammen mit den Kassen-Reserven (zehn Milliarden Euro) und den Rücklagen im Gesundheitsfonds (9,5 Milliarden) kommt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) damit auf ein Polster von 19,5 Milliarden Euro.

Verantwortlich für das Prachtergebnis ist vor allem der Rückgang bei den Arzneiausgaben. Nachdem die Kassen für Pillen, Tropfen und Salben bisher immer nur Kostensteigerungen zu beklagen hatten, können sie sich nun über ein stattliches Minus von vier Prozent freuen. Die Ausgaben für Medikamente sanken gegenüber 2010 erstmals von knapp über 32 Milliarden auf 30,87 Milliarden Euro. Das ist eine direkte Folge der gesetzlich verfügten Anhebung des Kassenrabatts auf rezeptpflichtige Arznei von sechs auf 16 Prozent. Dies habe mehr als 100 Millionen Euro pro Monat gebracht, freuen sie sich im Ministerium – und beharren auf Beibehaltung des bis Ende 2013 befristeten Abschlags. Erst dann nämlich sei damit zu rechnen, dass das neue Instrument der Preisverhandlungen für patentgeschützte Arznei greife.

Zudem habe man seit einem halben Jahr wieder Ausgabenzuwächse für Medikamente zu verzeichnen, warnen die Experten. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) dagegen möchte den Zwangsrabatt vorzeitig gesenkt haben. Nach EU-Recht sei die Regierung verpflichtet, Zwangsmaßnahmen „regelmäßig auf ihre Notwendigkeit nach gesamtwirtschaftlicher Lage des Landes zu überprüfen“, mahnt BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp.

Tatsache ist, dass es ohne das Spargesetz kaum Ausgabensenkungen gegeben hätte. Ein Minus verbuchten die Kassen ansonsten nur bei ihren Verwaltungskosten, die um ein Prozent auf 9,36 Milliarden Euro sanken, sowie bei dem mit knapp 2,5 Milliarden Euro überaus bescheidenen Titel Vorsorge und Rehabilitation (minus 1,3 Prozent). In die Arztpraxen flossen 33,7 Milliarden Euro – 2,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Zuwachs beim Krankengeld lag bei 9,4 Prozent. Und der mit Abstand dickste Posten Krankenhausbehandlung schlug mit einem Plus von 3,7 Prozent zu Buche. Die Kosten stiegen um gut zwei auf 60,83 Milliarden Euro.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht darin kein Drama. Sie vermeldet stolz, dass die Ausgaben am Ende um zehn Prozent niedriger ausgefallen seien als erwartet. Und 0,5 Prozent des Anstiegs seien allein dem von der Regierung initiierten Programm geschuldet, mehr Pflegekräfte einzustellen. Die Nöte der Kliniken seien „unübersehbar“, findet DKG-Präsident Alfred Dänzer. Und die höheren Einnahmen gäben jetzt „dringenden Anlass“, endlich Hilfen zu bewilligen.

Die Kassen weisen solche Begehrlichkeiten von sich. Mit den Überschüssen sollten nun „Rücklagen für schlechte Zeiten aufgebaut und gesichert werden“, drängt der Vize-Chef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Das Ministerium mahnt ebenfalls zur „Ausgabendisziplin“, sähe es aber auch gern, wenn die Kassen ihre Versicherten mit Prämienrückzahlungen beglückten.

An die Möglichkeit, das Geld in Krankheitsvermeidung zu investieren, denken offenbar nur die Sozialverbände. Den Versicherern eröffne sich nun die Chance, wieder stärker an Prävention und Rehabilitation zu denken, sagt VdK-Chefin Ulrike Mascher. „Die schlechte Kassenlage war ja immer das Argument, um solche Maßnahmen herunterzufahren.“ Im Endeffekt lasse sich durch solche Investitionen sogar noch mehr sparen.

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