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Politik: Ein Präsident wird grün

Horst Köhler wirbt in Vietnam und China für deutsche Umwelttechnik – und mahnt Menschenrechte an

Von Hans Monath

Die neuen Schicksalsfragen seines Landes interessieren Ho Chi Minh schon lange nicht mehr. Im Prunksaal des Präsidentenpalastes in Hanoi blickt die überlebensgroße Bronzebüste des Befreiungskämpfers mit starren Augen über den Gast aus Deutschland hinweg, der eine Botschaft an die Vietnamesen mitbringt. Vor rotem Tuch und gelbem Vietcong-Stern plädiert Horst Köhler auf der ersten Station seiner Asienreise für den Aufbruch hin zu einer neuen, grenzüberschreitenden Umweltpolitik, bei der sich „jede nationale Politik danach fragt, was sie beitragen kann zum Gelingen oder Scheitern des Ganzen“. Während der Bundespräsident spricht, hebt er seine zehn Finger und formt mit ihnen vorsichtig einen Ball, was den Eindruck vermittelt, als halte er die bedrohte Erde tatsächlich schützend in den Händen.

Die Geste weist auf die Schlüsselfrage hin, die der Bundespräsident in diesem Jahr bei vielen Auslandsreisen ansprechen will: Wie lassen sich möglichst viele Nationen für die Idee gewinnen, dass ökologische Politik Wachstum nicht gefährdet, dass eine gute Bildungspolitik mit globaler Verantwortung genauso viel zu tun hat wie eine gute Klimapolitik? Köhler reist gleichsam als „grüner Präsident“ nach Vietnam und China. In den beiden Ländern, die rasend hohes Wirtschaftswachstum und gigantische ökologische Probleme aufweisen, wirbt er für die Spitzenprodukte deutscher Umwelttechnik.

Horst Köhler meint es ernst mit seinem Thema. Sein Stab ärgert sich ein wenig darüber, dass die Nachrichtenagenturen nach dem Auftritt im Palast des vietnamesischen Präsidenten allein die Menschenrechtsproblematik in den Mittelpunkt rücken und nicht die ökologische Frage. Es ist nicht so, dass der Präsident den Schutz der Menschenrechte für weniger wichtig hält als den der Umwelt. Würde man ihn aber nach einer Reihenfolge, nicht nach der Wertigkeit, fragen, dann stünde im Moment die Ökologie an erster Stelle.

In China, der zweiten Station von Köhlers Asienreise, geht es aus diesem Grund auch zunächst nicht in die Hauptstadt Peking, sondern in die Provinz Yunnan. Die ganze Delegation muss zwei Flugstunden nördlich von Hanoi aus der Regierungsmaschine „Theodor Heuss“ in ein kleineres chinesisches Flugzeug umsteigen, um ins Bergland der Provinz zu fliegen. Eine Stunde lang quälen sich die Jeeps und Busse der Kolonne dann die Serpentinen einer staubigen, holprigen Piste empor, um zu einem kargen Weiler zu gelangen. Das Dorf kann dank deutscher Entwicklungshilfe endlich mit Strom versorgt werden – mit Solarenergie. Der Präsident freut sich, dass er hier in 3000 Meter Höhe nicht nur einen laufenden Fernseher, sondern auch noch eine Energiesparlampe entdeckt.

Von der Tatsache, dass Peking in der Menschenrechtsfrage momentan etwas gereizte Töne anschlägt, lässt sich Köhler am nächsten Tag in der Hauptstadt nicht beeindrucken. Die Chinesen hatten es als unfreundlichen Akt empfunden, dass der Bundestag kürzlich das System der Arbeitslager verurteilte. Zudem zogen sie ihre Vertreter aus dem Menschenrechtsdialog mit der EU ab, weil die deutsche EU-Ratspräsident auch kritische Organisationen eingeladen hatte.

Schon in Vietnam hat der Präsident beim Umgang mit dem heiklen Thema diplomatisches Geschick bewiesen. Es ist Horst Köhler an seinen strahlenden Augen leicht abzulesen, wie sehr ihn die wirtschaftliche Dynamik des Landes und seines Nachbarn China fasziniert, wie sehr ihn der Leistungswille der Menschen beeindruckt. Die Achtung vor dem Aufbruch beider Länder macht es ihm leichter, über Schwieriges zu sprechen. Nicht moralisch belehrend tritt er auf, sondern werbend: Schließlich brächten Rechtssicherheit, Fairness und Transparenz das ganze Land voran, heißt seine Behauptung. Zumindest angehört haben es die kapitalistischen Kommunisten in Hanoi und Peking.

Mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Hu Jintao, seinem ersten hochrangigen Gesprächspartner in Peking, redet Köhler in der bombastischen Halle des Volkes gut zehn Minuten über das heikle Thema. Ihn umwirbt er mit dem Argument, das Vertrauen der Menschen in den Staat werde durch ihr Vertrauen in die Menschenrechte gestärkt. Glaubt man denen, die dabei waren, erklärt sich Hu ausdrücklich zum Dialog darüber bereit.

Zum Abschluss seines Besuchs in China will Köhler am Samstag in Schanghai in der Traditionsuniversität Tongji eine Grundsatzrede über Globalisierung und Umweltschutz halten. Es gehört wenig Fantasie zur Voraussage, dass er sich Ende September bei seiner Berliner Rede mit Thesen über Wachstum und Ökologie auch an die Deutschen wenden wird. Er zweifelt, ob sich seine Landsleute den Herausforderungen der Globalisierung wirklich stellen. Den Vietnamesen und Chinesen will er das Umweltbewusstsein seiner Landsleute, den Deutschen die Leistungsbereitschaft seiner gegenwärtigen Gastländer schmackhaft machen.

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