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Derzeit nicht ganz spannungsfrei. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Foto: Michael Kappeler/dpa

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Politik: Ein reizendes Verhältnis Die Union ärgert sich darüber,

dass die Liberalen ihren Erfolg im Präsidentenstreit offensiv vermarkten.

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Berlin - Der Versuchung, seine persönlichen Verdienste im Kampf um den nächsten Bundespräsidenten propagandistisch auszuschlachten, wollte Philipp Rösler bewusst nicht widerstehen. Gleich in mehreren Interviews feierte der FDP-Parteichef und Wirtschaftsminister seit Sonntag die überraschende Festlegung der FDP auf Joachim Gauck, der sich entgegen ihrer eigenen Position schließlich auch Kanzlerin Angela Merkel beugen musste. Die in Umfragen auf zwei Prozent kommende FDP werde kämpfen und wieder aufstehen, verkündete Rösler im „Straubinger Tagblatt“ und fügte in Anspielung auf den Gauck-Krimi am Sonntag im Kanzleramt hinzu: „Meine Art von Kämpfernatur äußert sich eher in Zähigkeit und Ausdauer. Wie man ja aktuell gesehen hat.“

Doch mit der Art, wie er seinen Sieg feiert, schafft der 38-jährige Minister nun neue Probleme. Zwar gieren die seit Monaten deprimierten Liberalen geradezu nach Erfolgsmeldungen – und einige von ihnen nutzen die Gelegenheit, der übermächtigen Union die Grenzen von deren Macht vor Augen zu führen. Doch umso lauter die Liberalen ihren eigenen Erfolg feiern, umso mehr reizen sie die Union zu einem Gegenschlag.

Zwar hatte Rösler noch in der Nacht zum Montag in einer Telefonkonferenz mit dem Präsidium und der Fraktionsführung gemahnt, dem Eindruck entgegenzutreten, die FDP wolle sich von der schwarz-gelben Koalition verabschieden und eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen vorbereiten. Alle sollten „den Ball flach halten“ und pfleglich mit dem Koalitionspartner umgehen, riet er. Doch die offensive Vermarktung des eigenen Erfolges gegen die Kanzlerin verträgt sich nicht mit dem hehren Vorsatz.

Vor allem in der CSU ist der Ärger über die Zwei-Prozent-Partei groß. Die „Boygroup“ der FDP versuche sich durch einseitige Durchstechereien von Koalitionsinterna „starkzureden“, heißt es abschätzig bei den Christsozialen. Das aber sei weder ein Ausdruck von Regierungsfähigkeit, noch werde ein solches Verhalten ehemalige FDP-Wähler zurückgewinnen. CSU-Chef Horst Seehofer drohte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger angeblich Konsequenzen für die schwarz-gelbe Koalition in München an. Die Berliner Ministerin ist Chefin des bayerischen FDP-Landesverbandes.

Erboste Unionspolitiker verbreiteten die Losung, wonach nun die Schonzeit für die Liberalen vorbei sei und die nun mit Revanche rechnen müssten. Deshalb werde man im Streit um die Vorratsdatenspeicherung, das Urheberrechtsabkommen Acta und das Steuerpaket nun keine oder kaum noch Rücksicht auf den kleineren Partner nehmen. „Man sieht sich immer zweimal im Leben“, blaffte CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach.

„Wer solche Drohungen in die Welt setzt, kann nicht das hellste Kirchenlicht sein“, entgegnete der baden-württembergische FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Die FDP habe schließlich nichts anderes gemacht, als den „Volkspräsidenten“ Gauck durchgesetzt, den eine Mehrheit der Deutschen als Staatsoberhaupt wolle. Rülke hatte in der Vergangenheit Merkel als Schuldige für mangelnde FDP- Erfolge in der Koalition verantwortlich gemacht. Umso mehr freut es ihn nun, dass sich seine Partei endlich auch gegen den Widerstand der Kanzlerin durchsetzen konnte. Der Baden-Württemberger sieht im Präsidenten-Coup eine Blaupause für künftige FDP-Erfolge. „Eine Koalition sollte normalerweise aus Geben und Nehmen bestehen“, meint er. Doch bislang habe die Koalition für die FDP nur aus Geben bestanden: „Deshalb wünsche ich mir, dass wir künftig in dieser Koalition ein etwas ausgewogeneres Verhältnis erleben.“

Andere Liberale mahnen dagegen zur Besonnenheit. „Es gibt keinen Grund, nervös zu werden“, sagt der Bundestagsabgeordnete und Innenexperte Hartfried Wolff. Auch in der Innen- und Rechtspolitik, für Union und FDP ein schwieriges Feld, würden beide Partner „weiter nach vernünftigen Kompromissen suchen“. Wolff warnt seine eigene Partei ausdrücklich davor, jetzt zu emotional zu reagieren und lobt sogar Merkel: „Die Kanzlerin verdient Respekt dafür, dass sie einen gemeinsamen Kandidaten parteipolitischen Überlegungen vorgezogen hat.“

Beschwichtigende Botschaften kommen auch aus der Führung der CDU sowie der Liberalen. Die Festlegung der FDP auf Gauck sei für die Union unerwartet gekommen und zumindest ungewöhnlich gewesen, meint etwa Unions-Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmeier (CDU). Dadurch sei die Zusammenarbeit aber nicht beschädigt worden. „Die Arbeit der Koalition wird erfolgreich weitergehen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Und aus der FDP-Führung wird versichert: „Es ging nicht darum, die Union zu reizen.“ Viele in der Union aber glauben solchen Beteuerungen nicht.

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