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Politik: Ein überkomplexes Problem

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel produziert wieder Strom, Krümmel bleibt weiter abgeschaltet

In der Nacht zum Sonntag ist das Atomkraftwerk Brunsbüttel wieder ans Netz gegangen. Es war nach einem Störfall am vergangenen Donnerstag automatisch schnellabgeschaltet worden. Das Sozialministerium in Kiel, das die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein führt, hatte keine Bedenken gegen das Wiederanfahren des Reaktors. Dabei gilt das Atomkraftwerk Brunsbüttel schon lange als Problemreaktor.

Im Kieler Ministerium war der Samstag wegen der Störfälle in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel am Donnerstag ausnahmsweise ein Arbeitstag. Mehrere Expertenrunden kamen zusammen. Auch der Betreiber der beiden Siedewasserreaktoren, Vattenfall, war an den Gesprächen beteiligt. Zum Feuer im Transformatorengebäude von Krümmel gab es allerdings keine neuen Erkenntnisse. Die Werksfeuerwehr hielt auch am Samstag noch Brandwache. Die Hitze im ausgebrannten Trafo macht eine Untersuchung durch Sachverständige erst am Montag möglich.

Der Reaktor in Krümmel wird für unbestimmte Zeit ausfallen. Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) will genau wissen, was passiert ist, ehe sie die Genehmigung zum Weiterbetrieb erteilt, ließ sie mitteilen. Außerdem muss erst geklärt werden, wie das Kraftwerk mit nur noch einem funktionieren Trafo betrieben werden kann. Die Verantwortlichen gaben zu, dass die Sprinkleranlage offenbar für einen so schweren Brand nicht ausgerichtet war. Der Ausfall der beiden Atomkraftwerken kostet Vattenfall und Eon, die die Meiler gemeinsam betreiben, rund eine Million Euro pro Tag.

Die beiden Siedewasserreaktoren gelten als besonders störanfällig. Der Jahresbericht über Störfälle des Bundesamtes für den Strahlenschutz (BfS) führt 2006 zwölf Ereignisse in Krümmel und sieben in Brunsbüttel auf. Allein im ersten Quartal dieses Jahres gab es drei weitere Störfälle in Brunsbüttel, berichtet das BfS. BfS-Präsident Wolfram König kritisierte in der „Frankfurter Rundschau“, dass die Betreiber bisher keine Neigung zeigen, ältere Anlagen früher stillzulegen und deren Strommengen auf neuere Anlagen zu übertragen. Im Gegenteil: Vattenfall hat sogar den – inzwischen abgelehnten – Antrag gestellt, Strommengen des nie in Betrieb gegangenen RWE-Meilers Mühlheim-Kärlich auf das AKW Brunsbüttel zu übertragen, damit es bis nach der Bundestagswahl 2009 am Netz bleibt.

Das größte Problem im AKW Brunsbüttel ist nach Ansicht der Reaktorsicherheitskommission (RSK) das Notstromsystem. Die Deutsche Umwelthilfe zitiert ein RSK-Mitglied mit der Feststellung, das Notstromsystem sei „überkomplex“. Brunsbüttel verfügt nur über drei Dieselmotoren, die das Notstromsystem mit Energie versorgen können. Die zweite Schwäche ist, dass diese Diesel an zwei Leitungssträngen hängen, die miteinander verknüpft sind. Der dritte Diesel soll anspringen, wenn einer der beiden Motoren versagt. In modernen Anlagen sind die Leitungsstränge unabhängig voneinander und verfügen je über ein eigenes Sicherheitssystem. In Brunsbüttel hängt am Notstromsystem zudem noch eine Gasturbine, die anspringen soll, wenn der Reaktor abgeschaltet werden muss. Damit die Gasturbine angefahren werden kann, gibt es einen weiteren Dieselmotor, der seit dem jüngsten Austausch von Kernbrennstoff auch noch mit dem Notstromsystem verbunden ist. Die Bewertung „überkomplex“ stammt übrigens aus der Zeit vor dieser Neuerung – das gilt jetzt erst recht.

Der Leiter der AKW-Sparte bei Vattenfall, Bruno Thomauske, versteht die Kritik jedoch nicht. Thomauske stellte im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag allerdings in Aussicht, die Notstromsysteme zu entkoppeln, falls es „eine längerfristige Perspektive für Brunsbüttel gibt“. Eine Genehmigung des Antrags auf eine Strommengenübertragung wäre dafür aber nicht ausreichend gewesen, meinte er. Da müsste schon der Atomausstieg zurückgenommen und die Laufzeit für das 30 Jahre alte Atomkraftwerk um mindestens zehn Jahre verlängert werden.

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