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Politik: Ein Viertel der Kosovaren geflohen

GENF / BRÜSSEL .Die katastrophale Flüchtlingssituation auf dem Balkan spitzt sich immer dramatischer zu: Seit dem Beginn der NATO-Luftschläge Mitte der vergangenen Woche gegen die Bundesrepublik Jugoslawien haben rund 110 000 Albaner panikartig ihre Heimat Kosovo verlassen.

GENF / BRÜSSEL .Die katastrophale Flüchtlingssituation auf dem Balkan spitzt sich immer dramatischer zu: Seit dem Beginn der NATO-Luftschläge Mitte der vergangenen Woche gegen die Bundesrepublik Jugoslawien haben rund 110 000 Albaner panikartig ihre Heimat Kosovo verlassen.60 000 Menschen seien nach Albanien geflohen, berichtete NATO-Sprecher Jamie Shea.Nach Angaben der Regierung in Skopje habe Mazedonien inzwischen schon 20 000 Kosovo-Albaner aufgenommen.In Montenegro, das mit Belgrad in der Förderation verbunden ist, seien seit vergangenen Samstag sogar schon 30 000 Flüchtlinge angekommen, heißt es aus Regierungskreisen.Insgesamt hat sich die Zahl der Vertriebenen, die ihre Häuser in der umkämpften jugoslawischen Provinz aufgeben mußten, seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im März 1998 auf mehr als eine halbe Million Menschen erhöht.Das entspricht nach Angaben der Vereinten Nationen in Genf einem Viertel der ehemals ansässigen Bevölkerung.Der Sprecher der kosovo-albanischen Untergrundarmee UCK, Ramdan Awdiu, betonte in Genf, daß die Angriffe des westlichen Bündnisses nicht für den Massenexodus verantwortlich seien.Seit dem Abzug der letzten ausländischen Journalisten und Beobachter sei die Gewalt der Serben gegen die Kosovo-Albaner aber eskaliert.Am Montag hatten auch die verbliebenen Mitarbeiter des Roten Kreuzes den Kosovo verlassen.Vertreter internationaler Hilfsorganisationen befinden sich jetzt nicht mehr im Kosovo.Die Rot-Kreuz-Teams wurden in Albanien, Mazedonien und Montenegro stationiert.Das Flüchtlingshilfswerk der UNO, der UNHCR, bereitet sich nach Angaben seines Sprechers Kris Janowski auf die Ankunft Hunderttausender neuer Flüchtlinge aus dem Kosovo vor.Die albanische Regierung bringt die traumatisierten Flüchtlinge aus dem extrem unterentwickelten Norden des Landes zu Gastfamilien in den etwas wohlhabenderen Süden.Vor dem Beginn der NATO-Luftschläge hätten rund 450 000 Kosovo-Albaner ihrer Heimat wegen der brutalen Übergriffe der Truppen des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic den Rücken gekehrt.

Um eine Flüchtlingskatastrophe zu verhindern, will die Europäische Union ihre humanitäre Hilfe verstärken und beschleunigen.Brüssel stellt aus dem EU-Haushalt 20 Millionen Euro für die Kosovo-Flüchtlinge bereit.Die für die Humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin Emma Bonino wird am Mittwoch nach Albanien und Mazedonien reisen.

In Genf trafen sich Vertreter westlicher Länder, um die weitere humanitäre Hilfe zu koordinieren."Teilnehmer kommen auch aus den betroffenen Balkanstaaten", erklärte Janowski.Das UNHCR lasse neue Helfer in die vom Flüchtlingsstrom betroffenen Staaten einfliegen.Dabei stehe Albanien im Mittelpunkt.Unterdessen profitieren albanische Schlepperorganisationen immer stärker von dem Flüchtlingselend.Nach Informationen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) hat sich ein regelrechter Markt für den Transport der vertriebenen Kosovo-Albaner in westliche Länder entwickelt."Das läuft nach den Gesetzen der Ökonomie ab: Die Nachfrage bestimmt den Preis", berichtete IOM-Sprecher Jean-Philippe Chauzy.Vor Beginn der NATO-Angriffe hätten die Händler für den Transport einer Person 3000 bis 4000 DM verlangt.Jetzt sei der Preis natürlich in die Höhe geschnellt.Opfer des Krieges könnte auch eine Bevölkerungsgruppe Jugoslawiens werden, die bisher im Kosovo-Konflikt keine Rolle spielte: Die rund 500 000 Serben, die im Verlauf der vorherigen Balkankriege aus Kroatien und Bosnien in ihr Abstammungsland flohen.Da viele von ihnen in ausrangierten Militärkasernen untergebracht sind, befürchtet die UNO, daß sie von NATO-Luftschlägen getroffen werden könnten."Wir haben die serbischen Behörden mehrmals aufgefordert, die betroffenen Personen in anderen Gebäuden unterzubringen.Doch aus Belgrad kam immer wieder die Antwort: Wir haben keinen Platz", berichtete UNHCR-Sprecher Janowski.

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