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Politik: „Eine der großen Tragödien der Welt“

3,5 Millionen Menschen starben bisher im kongolesischen Bürgerkrieg. Heute reist der UN-Sicherheitsrat in die Krisenregion

Von Hans Monath

Berlin/Kinshasa - Nur selten macht sich der UN-Sicherheitsrat durch einen Besuch in Krisenregionen selbst ein Bild von Problemen, über die er zu entscheiden hat. Die am Sonntag beginnende Reise des wichtigen UN-Gremiums durch Zentralafrika soll die Aufmerksamkeit der Welt auf einen Konflikt lenken, der trotz seiner Furcht erregenden Dimensionen bislang weitgehend im Schatten der Wahrnehmung stand – die Lage in der Demokratischen Republik Kongo.

Die UN halten die Politik der Versöhnung und den Wiederaufbau staatlicher Strukturen im drittgrößten Land Afrikas für so wichtig, dass sie dort ihre weltweit bislang teuerste und demnächst auch größte Friedensmission leisten. Der UN-Sonderbeauftragte für den Kongo, William Lacey Swing, erinnerte kürzlich anlässlich des Besuchs von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) an die 3,5 Millionen im Bürgerkrieg umgekommenen Menschen und nannte das Geschehen „eine der großen Tragödien der Welt“. Andere Beobachter sprechen von „Afrikas Erstem Weltkrieg“, der mehr als drei Millionen Menschen innerhalb der Grenzen Kongos zur Flucht trieb. Ziel des UN-Einsatzes im Kongo (Monuc) ist die Vorbereitung und Sicherung freier und fairer Wahlen, die Anfang 2005 stattfinden sollen. Doch die militärischen und zivilen Mitarbeiter der UN im Kongo kämpfen mit vielen Widrigkeiten und politischen Risiken. Im Sommer kam es in der Hauptstadt Kinshasa zu Ausschreitungen gegen UN-Einrichtungen, nachdem Monuc gegen die Besetzung der ostkongolesischen Stadt Bukavu durch Rebellen nicht eingeschritten war. UN-Mitarbeiter vermuten, dass die Regierung des Übergangspräsidenten Joseph Kabila den Volkszorn gegen die UN selbst geschürt hat, um von eigenem Versagen abzulenken.

Nach dem internationalen Abkommen von Sun City in Südafrika zur Beendigung des Bürgerkrieges (2003) amtiert Kabila als Chef einer Allparteienregierung, seine vier Stellvertreter stammen aus verfeindeten Milizen. Zwar hat das Abkommen die Auseinandersetzungen in einem großen Teil des Landes beendet. Beobachter beklagen aber, es sei eines der größten Probleme des Landes, dass kein Verbrechen gesühnt werde. Trotz umfangreicher Demobilisierungsprogramme, die auch von deutscher Entwicklungshilfe unterstützt werden, ist die Lage weiter instabil.

Hauptschauplatz des Bürgerkrieges war die rohstoffreiche Region Kivu im Osten des Landes, die auch heute noch nicht befriedet ist. Rebellen und aus dem Nachbarland Ruanda über die Grenze eingesickerte Hutu-Milizen terrorisieren die Bevölkerung. Von der illegalen Ausbeutung der wertvollen Rohstoffe (Diamanten, Gold, Öl und das für Mobiltelefone wichtige Coltan), so beklagen Beobachter, profitieren auch die Regierungen der Nachbarstaaten Ruanda und Uganda. Folglich warnen Kritiker, zumindest die Regierung im ruandischen Kigali habe kein Interesse an einer Stärkung der kongolesischen Zentralmacht, sondern setze auf die dauerhafte Destabilisierung der Grenzregion. Ruandas Präsident Paul Kagame dagegen warf Monuc völliges Versagen vor. Eine Aufstockung der gegenwärtig 10 500 Soldaten nütze nichts, so lange die Grundlagen ihrer Mission nicht neu definiert werde, sagte er.

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