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Politik: Eine Entschuldigung, die keine ist?

Schröder hat Bush geschrieben. Doch der Brief in Sachen Däubler-Gmelin wird als neue Unverfrorenheit gewertet

Von Peter Siebenmorgen

Die Aufregung über die umstrittenen Worte von Herta Däubler-Gmelin ebbt nicht ab. Im Gegenteil, nach der Pressekonferenz der deutschen Justizministerin, in der sie zugeben musste, US-Präsident George W. Bush und Adolf Hitler in einen Zusammenhang gerückt zu haben, sind die Spannungen doch noch einmal gestiegen. Es wurde zwar in Washington registriert, dass Außenminister Joschka Fischer seinen Amtskollegen Colin Powell angerufen hat, um den entstandenen Schaden zu begrenzen, doch mehr nicht. Praktisch hatte dieser Kontakt keine mildernden Auswirkungen, wie zu hören ist. Bush fühle sich schwer beleidigt und sei verletzt. Aus diesem Grund habe er sich jetzt sogar persönlich zu dem Vorfall geäußert: Er bekümmere ihn zutiefst.

In Bundeskanzler- und Auswärtigem Amt macht man sich auch keine Illusionen darüber, wie schädlich der Vorgang ist. So war das Schreiben von Kanzler Gerhard Schröder an Bush tatsächlich als Entschuldigung und Versuch der Schadensbegrenzung gemeint. Deshalb auch war der außenpolitische Berater des Kanzlers, Dieter Kastrup, entschieden dagegen, den Brief zu veröffentlichen. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, der Adressat des Schreibens sei in Wirklichkeit nicht der amerikanische Präsident, sondern die deutsche Öffentlichkeit am Vorabend der Bundestagswahl. Offenkundig war sich außerdem niemand darüber im Klaren, dass Bush den Text der Entschuldigung auch anders, nämlich als eine weitere Unverfrorenheit verstehen könnte. In Washington fiel zum Beispiel auf, wie knapp er gehalten sei. Schwer wiegt die von Bush bekannt gewordene Einschätzung, dass der Brief des Kanzlers eine Entschuldigung sei, die den Kern dessen, wofür die USA eigentlich eine Entschuldigung erwarteten, in Abrede stelle. Denn der Präsident zweifelt nach diesen Informationen nicht daran, dass Däubler-Gmelin ihn tatsächlich in einem Atemzug und vergleichend mit Hitler genannt hat. Er gehe auch davon aus, so heißt es aus Bushs Umfeld, dass es in der deutschen Regierungszentrale nicht anders gesehen werde.

In Berlin wie in Washington wird mittlerweile nicht mehr bestritten, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen in eine schwere Krise geraten sind, die so schnell nicht beizulegen sein werde. Denn zu den tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten der vergangenen Monate über die Irak-Politik ist nun ein Zustand im Verhältnis der Spitzen beider Länder eingetreten, der als „fast schon zerrüttet“ bewertet wird.

Deutschland hat gegenwärtig keinen Gesprächsfaden zum Präsidenten selbst oder einem seiner einflussreichen Vertrauten. Condoleezza Rice, die Sicherheitsberaterin, kommt an diesem Montag zu Beratungen mit der britischen Regierung, an der Spitze Premier Tony Blair, nach London. Dort geht es um letzte Abstimmungen für die Irak-Strategie. Ein kurzer Abstecher nach Berlin ist nicht geplant.

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