zum Hauptinhalt

Politik: Eine Unicef-Studie belegt ihre Benachteiligung

"Für mich wäre das schwer, wenn ich nach Afrika gehe. Ich habe keinen Vater.

"Für mich wäre das schwer, wenn ich nach Afrika gehe. Ich habe keinen Vater. Meine Mutter? Ich weiß nicht, wo sie ist. Wenn ich zurückgehe, können sie mich umbringen", erklärt Amado, 15 Jahre alt. Er ist aus Liberia geflohen. Die Rebellen haben sein Dorf abgebrannt, sagt er, und ihn mitgenommen, zum Training. "Ich sollte lernen, wie man Leute erschießt."

Amado ist einer von schätzungsweise 220 000 Flüchlingskindern in Deutschland, unter ihnen 10 000 unbegleitete Minderjährige. Eine am Donnerstag in Berlin vorgestellte Studie des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) belegt, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen in der Bundesrepublik benachteiligt sind. Das betrifft sowohl die Schul- und Berufsbildung als auch die gesundheitliche Betreuung.

Die Studie wurde von dem Berliner Migrationsforscher Steffen Angenendt durchgeführt. Er wurde vom UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) unterstützt. Der Studie liegen 300 Gespräche mit Behörden, Wohlfahrtsverbänden und Betroffenen zu Grund. Ausgangspunkt war die Frage, ob der Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland den Grundsätzen der UN-Kinderrechtskonvention entspricht. Die Konvention wird im November zehn Jahre alt. Deutschland hat sie 1992 ratifiziert, allerdings unter Vorbehalt. Deshalb ist die Bundesregierung juristisch nicht anfechtbar.

Die tatsächliche Lage von Flüchtlingskindern hängt vom Aufenthaltsstatus ab sowie vom Bundesland, in dem sie leben. Die Bestimmungen für Flüchtlinge werden in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgelegt. Die rund 60 000 Kinder anerkannter Flüchtlinge mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis sind Deutschen in rechtlicher Hinsicht weitgehend gleichgestellt. Probleme bekommen diejenigen, die nur eine Duldung haben, das heisst kein Aufenthaltsrecht. Diese Flüchtlingskinder erhalten zum Beispiel Krankenscheine, auf denen vermerkt sein kann, dass sie Anspruch auf kostenlose Hilfe nur bei akuten Erkrankungen und bei Schmerzen haben. Leistungen für die Gesundheitsvorsorge, etwa zum Zahnerhalt, sind nicht vorgesehen. Auch ein Rollstuhl kann auf Grund der "Schmerzensklausel" nicht verordnet werden.

Beim Schulbesuch gibt es, laut Studie, ebenso Einschränkungen. In einigen Bundesländern unterliegen nur Kinder mit gesichertem Aufenhaltsstatus der allgemeinen Schulpflicht. Eine Berufsausbildung scheitert meist an der Arbeitserlaubnis.

Besonders problematisch ist der Studie zufolge die Abschiebung von minderjährigen Flüchtlingen. Immer wieder würden Fälle bekannt, in denen die deutschen Behörden nicht hinreichend gerklärt haben, ob unbegleitete Minderjährige nach ihrer Rückkehr eine Aufnahme in ihre Familien oder bei Vewandten fordern können oder ob eine Betreuung durch staatliche oder gemeinnützige Einrichtungen möglich ist.

Unicef fordert, den ausländerrechtlichen Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention zurückzunehmen. Dann wären Rechte von Flüchtlingskindern einklagbar. Statt einer Duldung sollten die Behörden möglichst eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erteilen, um so den Zugang zu Bildungseinrichtungen zu erleichtern.

Regina Villavicencio

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false