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Politik: "Einfuhrbestimmungen ändern sich fast täglich"

TIRANA/SHKODER .Der Mann mit dem gestutzten, kupferroten Haarschopf ist pünktlich.

TIRANA/SHKODER .Der Mann mit dem gestutzten, kupferroten Haarschopf ist pünktlich.Früh um 9 Uhr ist Michael Dietz wie verabredet zur Stelle, um den Hilfskonvoi aus Deutschland in Rinas, dem kleinen Flughafenort nahe Tirana, in Empfang zu nehmen.In den staubigen Straßen sind die Menschen längst auf den Beinen.Sie tragen arglosen Fremden das Gepäck die paar Meter zur Abfertigungshalle, um dort mindestens zehn Dollar Lohnzu fordern.Verhandeln zwecklos, Protest ohnehin.Aggression ist unberechenbar.Es wird gezahlt.Entlang der einspurigen Start- und Landebahn passen LKW-Fahrer Lücken im Flugbetrieb ab, um in zerpflückten Konvois über das Rollfeld zu rasen.Der Zoll wartet.Jeder Hilskonvoi, der nach Albanien unterwegs ist, landet im Nadelöhr Rinas.

Der Zollbereich ist der größte Parkplatz vor Tirana.Nur wer makellose Papiere vorlegen kann, hat Chancen, durchzukommen.Die kleinste Abweichung kostet.Zeit und Geld.Michael Dietz hat bislang immer nur gewartet, sagt er.Heute bis 23 Uhr."Schmieren", sagte der Verbindungsmann von der deutschen Sektion des Malteser Hilfsdienstes, "schmieren kommt nicht in Frage." Natürlich hat er von anderen internationalen Organisationen gehört, die sich Hilfe für ihre Hilfe erkaufen: "Die Summen sind angeblich kaum kalkulierbar." Gute Beziehungen zu den einheimischen Entscheidungsträgern aber, das haben alle Hilfsorganisationen erfahren, sind wertvoller.

Hilfsgüter in die Krisenregion rund ums Kosovo sind zwar grundsätzlich zollfrei, ihre Definition durch die albanischen Behörden aber allzu oft reinste Willkür."Einfuhrbestimmungen ändern sich fast täglich", sagt der albanische Assistent der Malteser.Es gibt keine verbindliche Liste, die klärt, welche Güter nicht eingeführt werden dürfen.Mal muß Spielzeug, mal die Ausstattung für eine mobile Ambulanz verzollt werden."Es sollen im Gefolge der Hilfstransporte keine Waren auf den freien Markt kommen, durch die dem Staat berechtigte Einnahmen entgehen", heißt es von den Behörden.Eine Kommission des Ministeriums für Arbeit und Soziales in Tirana entscheidet, wer Zoll zahlen muß.Die Furcht vor einer noch stärkeren Inflation bei den Lebenshaltungskosten und somit einer weiteren Destabilisierung dieses wüsten Landes in Europa ist groß.Schließlich finanziert der Staat 70 Prozent seiner Ausgaben durch Importzölle.Die Gefahr nehmen auch Hilfsorganisationen wahr.Doch macht sich dort Empörung breit: "Diese Kommission hat großen Spielraum", heißt es auch bei den kleineren Nichtregierungsorganisationen.Drastisch bringt es der albanische Dolmetscher auf den Punkt: "Die Kommissare suchen nach jedem Fehler, um Zölle abzuzocken.Jedes Versäumnis kann teuer werden."

Einige Hilfsorganisationen wollen nun gezielt Lebensmittel von einheimischen Produzenten erwerben, um das Geschäft anzukurbeln, ohne allerdings die oft knappen Ressourcen aufzubrauchen."Ein sensibler Bereich.Wir wissen das", sagt eine Rot-Kreuz-Koordinatorin.

Die Zeit läuft davon.Mit jedem Tag mangelt es nämlich auch an Raum für die Flüchtlinge.Bald schon werden nicht mehr 300 000, sondern 400 000 Vertriebene aus dem Kosovo in Albanien sein.Da der Staat seit 1997 Grund und Boden praktisch kaum noch besitzt, hat er nichts mehr zu übereignen: Hilfsorganisationen müssen sich plötzlich mit Einheimischen arrangieren, die Pacht verlangen, sobald Unterkünfte und Infrastruktur stehen."Wenn die ersten Flüchtlinge versorgt sind, kommen Schafhirte und Lokalfürsten und halten die Hand auf für Nutzungsgebühren", klagt Ahmed Mubashir, UNHCR-Chef in Shkoder.Einen Glücksfall nennt er das Malteser-Camp: Auf einem ehemaligen Flughafengelände erstand der Hilfsdienst vom Staat ein 850 Meter langes, 150 m breites Gelände, das erste Dauer-Lager der Region.

CLAUDIA LEPPING

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