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Politik: Eingeschränkt bündnisfähig - Der Bund muss sparen, die Armee braucht mehr Geld, das geht nur auf Umwegen (Kommentar)

Der Minister wagt sich aus der Deckung: Deutschland sei nur noch eingeschränkt bündnisfähig. Nach langem Schweigen äußert sich Rudolf Scharping nun fast inflationär über die Truppenstärke der Bundeswehr, Wehrpflicht, Ausrüstungsmängel, europäische Verpflichtungen, und - ganz vorsichtig - selbst über den Verteidigungshaushalt.

Der Minister wagt sich aus der Deckung: Deutschland sei nur noch eingeschränkt bündnisfähig. Nach langem Schweigen äußert sich Rudolf Scharping nun fast inflationär über die Truppenstärke der Bundeswehr, Wehrpflicht, Ausrüstungsmängel, europäische Verpflichtungen, und - ganz vorsichtig - selbst über den Verteidigungshaushalt. Dabei hat die Wehrstrukturkommission ihren Bericht noch gar nicht vorgelegt. Der soll die Grundlage bilden für die künftige Planung, organisatorisch wie finanziell.

Doch darauf nimmt das politische Jahr keine Rücksicht. Jetzt werden die Vorgespräche für den Bundeshaushalt 2001 geführt. Wenn jetzt keine Trendwende zu erreichen ist, braucht Scharping es im Sommer gar nicht mehr zu versuchen - Bericht hin, ermittelter Finanzbedarf her. Ohnehin besteht kaum Spielraum. Priorität hat der Abbau von Staatsschulden und Zinslast. Auch der Wehretat soll weiter sinken: von heute 45,3 auf 43,7 Milliarden Mark 2003. Wie das zu dem Ziel passt, die Armee zu reformieren, was zunächst Geld kostet? Und zum Versprechen an die EU-Partner, bis zum Jahr 2003 gemeinsame Krisenreaktionskräfte von 60 000 Mann aufzubauen? Gar nicht, aber was schert das die mittelfristige Finanzplanung!

Scharping sieht sich mit einer fatalen Logik des Sparens konfrontiert: Keine Ausnahme für niemand. Sonst melden sich sofort die anderen. Politisch hat er zudem die geringsten Chancen. Mehr Geld für die Verteidigung, das lässt sich öffentlich nicht vermitteln, wo doch der Kalte Krieg zu Ende ist. Und ihn, der mehrfach gegen Schröder stänkerte, wird der Kanzler als Letzten bedenken.

Das ist schlimm für Scharping - aber mehr noch für die Bundeswehr und die deutsche Außenpolitik. Mindestens so überzeugend wie der innenpolitische Zwang, warum der Wehretat sinken muss, ist die wehr- und außenpolitische Logik, warum er steigen muss. Deutschland hat sich die Friedensdividende längst genehmigt. Der Staat gibt heute nur 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus - Frankreich und Großbritannien das Doppelte, die USA noch mehr. Wie will der Kanzler die Schecks einlösen, die er bei EU-Gipfeln ausgestellt hat? Neben den Krisenreaktionskräften, die eine moderne Ausrüstung brauchen, etwa das Projekt eines europäischen Transportflugzeugs. Die betagte Transall musste auf dem Weg nach Ost-Timor sechsmal zwischenlanden. Oder der "Eurofighter" und Europas Aufklärungssatelliten. Diese Rüstungsprojekte sind weder Spielzeug noch Selbstzweck, sondern sollen die EU zu einem gleichberechtigten Partner der USA machen, der notfalls auch allein handeln kann. Bosnien und Kosovo bedrohten schließlich Europa, nicht Amerika. Auch die Grünen, die gern über ein Cowboy-Verhalten der USA klagen, wünschen diese Emanzipation. Doch das Ziel europäischer Friedenspolitik, die Krieg verhindern kann, ist nur um den Preis moderner Ausrüstung zu haben.

Der direkte Kampf gegen die Logik des Sparens ist aussichtslos. Scharping muss für die außenpolitische Gegenlogik werben. In der Haushaltspolitik gelingt mitunter doch mal die Quadratur des Kreises - durch internes Umschichten. Offiziell hat sich dann am sinkenden Wehretat nichts geändert, aber Scharping einige Hundert Millionen mehr. Die machen die Bundeswehr zwar immer noch nicht zukunftsfähig, ersparen dem Kanzler aber vielleicht den Offenbarungseid gegenüber den EU-Partnern.

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