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Die Sicht des syrischen Regimes. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana veröffentlichte am Mittwoch ein Foto aus Damaskus, das den Sarg mit dem Leichnam eines Angehörigen der Sicherheitskräfte zeigt. Laut Sana wurden sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte beigesetzt, die von „bewaffneten extremistischen Terrorbanden“ getötet worden seien. Foto: AFP

© AFP

Politik: Einmischung unerwünscht

UN schaffen erneut keinen Syrien-Beschluss / Westerwelle: Entschlossen, die Gewalt zu stoppen

Wenn die höchsten Repräsentanten der Vereinten Nationen über die Massaker in Syrien reden, verlieren sie schnell ihre Zurückhaltung. „Ich verurteile auf das Schärfste die andauernde Gewalt gegen friedliche Demonstranten“, macht UN-Generalsekretär Ban Ki Moon klar. Das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al Assad habe „hunderte Menschen getötet und verletzt“. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, verlangt kurz und bündig von Assad, endlich aufzuhören, die „eigenen Leute umzubringen“. Nur: Die harschen Worte der UN-Chefs bewirken nichts. Assads Schergen terrorisieren weiter die Opposition.

Einzig der UN-Sicherheitsrat könnte Assad und seinen Gefolgsleuten gefährlich werden – allerdings macht das höchste UN-Gremium noch nicht ernst. Diplomaten der Vereinten Nationen zählen einen Katalog von möglichen Strafen auf, um das Regime in Damaskus zum Einlenken zu zwingen: von der Sperrung der Vermögenswerte der syrischen Regierung im Ausland über ein Reiseverbot für Assad und sein Gefolge bis hin zu gezielten Wirtschafts- und Rüstungssanktionen.

Der nächste theoretische Schritt wäre die Autorisierung eines militärischen Eingreifens von Mitgliedern der Vereinten Nationen durch den UN-Sicherheitsrat. Diplomaten betonen aber, dass eine durch einen Beschluss des Sicherheitsrates gedeckte Intervention von UN-Mitgliedern gegen die Herrscher von Damaskus illusorisch sei. „Der Krieg in Libyen reicht den westlichen Ländern völlig aus“, betont ein Unterhändler. Tatsächlich attackieren sie seit mehr als fünf Wochen die Stützpunkte und Truppen des libyschen Gewaltherrschers Muammar al Gaddafi. Der Tyrann führt aber weiter Krieg gegen das eigene Volk. Gegen einen Syrien-Beschluss spricht auch, dass die Vetomächte China und Russland eine Intervention aller Wahrscheinlichkeit nach nicht dulden würden.

Doch selbst nichtmilitärische Strafen des Sicherheitsrates gegen Damaskus sind nicht in Sicht. China und Russland sowie das derzeit einzige arabische Mitglied im Gremium, der Libanon, wollen auch von solchen Aktionen gegen Syrien noch nichts wissen. Folglich gelang es dem UN-Sicherheitsrat am Dienstag nicht, sich auf eine Erklärung zu Syrien zu einigen. Eine Sitzung hinter verschlossenen Türen am Mittwochabend verlief ohne Einigung. Russen und Chinesen reagieren traditionell sehr kühl, sobald sie eine „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ eines UN-Mitglieds wittern.

Immerhin könnten die 15 Regierungen im Sicherheitsrat die staatliche Gewalt gegen die Bürger Syriens formell verurteilen – ohne Sanktionen. Die vier EU-Staaten im Rat – Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Portugal – hatten in diese Richtung gedrängt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, man sei „entschlossen, die Spirale der Gewalt zu stoppen. Aber selbst die Verurteilung Assads müsste im Konsens erfolgen.

Die Gewalt in Syrien führt inzwischen zu Widerstand auch in der regierenden Baath-Partei. Zunächst traten 30 Baath-Mitglieder aus, die in einem Schreiben das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen unbewaffnete Einwohner der Stadt Banias und umliegender Dörfer kritisierten. In Daraa im Süden des Landes, wo die Proteste Mitte März begonnen hatten, konnte AFP Listen einsehen, in die sich 203 weitere austrittswillige Parteimitglieder eingetragen hatten. Nach Angaben eines Oppositionellen tötete die Armee in Daraa am Mittwoch erneut sechs Menschen. Am Montag waren laut Augenzeugen mindestens 25 getötet worden.mit dpa /AFP

Jan Dirk Herbermann

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