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Debatte über Flugverbotszone: Einsatz für den Kampf über Libyen

Frankreich und Großbritannien drängen auf einen UN-Entschluss zu einer Flugverbotszone über Libyen. Hat das Aussicht auf Erfolg?

Die Deutschen sind noch skeptisch. Sowohl Außenminister Guido Westerwelle als auch Entwicklungsminister Dirk Niebel (beide FDP) halten die Einrichtung einer Flugverbotszone zwar prinzipiell für möglich, haben aber große Zweifel. Westerwelle glaubt, dass das Einrichten einer Flugverbotszone einem militärischen Eingreifen sehr nahe kommt. Auch Niebel sieht das so und sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd: „Die Bundeswehr und die USA müssten massivste Luftangriffe auf Libyen fliegen.“ Deutschland setzt sich mehr für die Verschärfung der Sanktionen ein. Dem folgt die EU. Die Vertreter der 27 EU-Regierungen einigten sich darauf, das Vermögen einer Reihe von libyschen Finanzunternehmen einzufrieren. Auf einem Treffen der EU-Außenminister Ende der Woche soll es um weitere Sanktionen gehen – nicht um eine Flugverbotszone.

Und doch steigt der Druck. Nach dem Golfkooperationsrat sprach sich am Dienstag auch die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) für ein Flugverbot aus. Ingo Peters vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin sieht es so: „Eine Flugverbotszone wäre sicherlich klug, ein UN-Mandat als Legitimationsgrundlage ist aber nahezu unverzichtbar. Wollte man diese ohne ein UN-Mandat einrichten, müsste es schon als Nothilfe durchgehen, das ist unter Umständen möglich, aber die deutlich schlechtere Alternative, die ich derzeit auch nicht sehe.“

Was wollen die Briten und Franzosen?

Frankreichs klare Haltung für eine Flugverbotszone ist vor allem innenpolitisch zu erklären. Nach den peinlichen Versäumnissen beim Umsturz in Tunesien will Frankreich nun eine klare Haltung einnehmen. Nachdem Frankreich zusammen mit Großbritannien 2007 die Rehabilitierung Gaddafis auf der internationalen Bühne betrieben hatte, steht Paris nun mit London an der Spitze derer, die den Diktator ächten. Bei den UN dringt Paris deshalb auf die Verabschiedung einer Resolution zur Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen. Nur wie diese konkret ausgestaltet werden soll, weiß man in Paris auch nicht genau. Denn eine militärische Intervention gegen Gaddafi schließt man in Paris aus. Dieses Dilemma ist auch ein Grund dafür, warum London etwas zurückruderte. Der britische Außenminister William Hague dringt auf „eine klare rechtliche Basis“ für eine Flugverbotszone. Außerdem bedürfe es einer „breiten internationalen Unterstützung“. Die Vorbereitungen für eine Flugverbotszone seien Notfallpläne.

Welchen Plan hat die USA?

In den USA wächst der Druck auf die Regierung von Präsident Barack Obama, der Opposition gegen Staatschef Gaddafi zu helfen und sie vor Angriffen der waffentechnisch überlegenen Regimetruppen zu schützen. Präsidentensprecher Jay Carney betont, es seien noch keine Beschlüsse gefallen, aber alle militärischen Optionen liegen auf dem Tisch. Konkreter diskutiert würden bisher drei Pläne: Erstens, die Ausweitung der Hilfe für Flüchtlinge. Die US-Luftwaffe hat bereits Hunderte in ihre Heimat geflogen, darunter Gastarbeiter aus Ägypten.

Zweitens wird über Waffenhilfe für die Opposition nachgedacht, entweder direkt durch die USA oder durch ein arabisches Land. Die USA nennen Saudi-Arabien. Die Idee der Lieferung von Waffen, damit sich die Aufständischen selbst zur Wehr setzen können, ist eine Lehre aus den Balkankriegen. Damals hatten die UN und der Westen ein Waffenembargo gegen alle Konfliktparteien verhängt. Das führte dazu, dass die bosnischen Muslime nahezu wehrlos den Angriffen der Serben gegenüberstanden, die große Vorräte an Waffen und Munition hatten.

Drittens nennt Carney den Plan einer Flugverbotszone, sagt aber, darüber werde im Rahmen der Nato entschieden. Sowohl in der Theorie wie in der Praxis betrachten die USA und ihre Nato-Partner in Europa den Plan unterschiedlich. Die Europäer meinen, dafür sei ein UN-Mandat nötig. Die USA denken das nicht. Es sei völkerrechtlich zulässig, Massaker an der Zivilbevölkerung auch ohne UN-Mandat durch Intervention zu verhindern. Die USA haben eher praktische Bedenken. Das Flugverbot müsste im Wesentlichen vom US-Militär durchgesetzt werden, da die USA weit umfangreichere militärische Fähigkeiten haben als die Europäer. Verteidigungsminister Robert Gates warnt, die offizielle Ausrufung einer Flugverbotszone sei „kein Videospiel“, sondern werde rasch Kampfhandlungen nach sich ziehen. Um bereits die potenzielle Gefährdung von Nato-Piloten, die das Flugverbot überwachen, durch libysche Luftabwehr abzuwenden, müsse man prophylaktisch libysche Luftabwehrstellungen zerstören. Im Gespräch sind auch Vorschläge, die libysche Luftwaffe an Angriffen auf die Opposition zu hindern, indem man die Start- und Landebahnen libyscher Militärflughäfen zerstört. Carney betont, dies seien alles nur Vorschläge in der Diskussion. Es sei noch nichts entschieden.

Nicht ernsthaft im Gespräch ist der Einsatz von US-Bodentruppen in Libyen. Generell herrscht Skepsis, welche Folgen eine Intervention hätte. Der Westen hat kein klares Bild, welche Hilfe die Opposition möchte und ob überhaupt jemand verbindlich für sie spricht. Ihre Vertreter haben sich in den vergangenen Tagen widersprüchlich geäußert. Teils forderten sie Hilfe, teils sprachen sie sich dagegen aus. Vertreter der oppositionellen Republikaner in den USA tun sich leichter, Militärhilfe für die Opposition zu fordern und werfen Obama Zögerlichkeit vor. Viele Arabienexperten stützen dagegen den vorsichtigen Kurs. Die Lage in Libyen sei unklar. Die USA müssten vermeiden, sich in einen Bürgerkrieg hineinziehen zu lassen wie 1992 bis 1994 in Somalia. Generell sei es eher schädlich, wenn der Westen eine zu aktive Rolle spiele. Die Libyer und andere Araber hätten das Ziel, sich aus eigener Kraft von den autoritären Regimen zu befreien.

Wie reagiert Russland?

Ein UN-Mandat für eine militärische Intervention dürfte an Moskaus Veto scheitern. Russland würde bei einem Regimewechsel, der prowestliche Politiker an die Macht spült, nur verlieren. Im Moment profitiert Russland – von den hohen Preisen für Öl und Gas. Außerdem gibt es milliardenschwere Verträge mit Gaddafi über wirtschaftliche Kooperationen. Äußere Einmischung, warnten Außenminister Sergej Lawrow und Leonid Sluzki, der Vizevorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, würde den Konflikt nur weiter eskalieren lassen.

Was ist mit China?

Chinas Regierung steht einer Flugverbotszone für Libyen weiter eher kritisch gegenüber. Seit jeher fällt der Führung die Einmischung in die Souveränität anderer Staaten schwer. „Ob der UN-Sicherheitsrat einen nächsten Schritt beschließt und wie dieser aussieht, hängt davon ab, wie hilfreich er für die Herstellung des Friedens in Libyen ist“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu, am Dienstag in Peking. Ob die Vetomacht China einen UN-Entschluss für eine Flugverbotszone blockieren würde, ließ Jiang Yu offen. Sie erklärte aber weiter, dass es bei der Entscheidung wichtig sei, die Souveränität und territoriale Integrität Libyens zu beachten. Eine ähnlich zurückhaltende Position hatte die Sprecherin schon in der vergangenen Woche vertreten, und so das Unbehagen der chinesischen Regierung über eine militärische Intervention in Libyen zum Ausdruck gebracht. Sollte Chinas Führung letztlich doch einer Flugverbotszone zustimmen, wird sie zumindest so lange wie möglich ihre Position der „Nicht-Einmischung“ betonen. Und diese hat durchaus System. Denn das Land treibt einen regen Handel mit Afrika. Dessen Erfolg beruht darauf, dass man bei seinen Investitionen stets politisch neutral bleibt. Anders als die meisten westlichen Staaten, fordert China für sein wirtschaftliches Engagement in Afrika keine politischen Reformen ein. Mit dieser Taktik ist das Land bisher gut gefahren. So hat sich Peking bei Afrikas Diktatoren beliebt gemacht und sich gerade bei der Jagd nach Rohstoffen einen großen Vorteil gegenüber Europa und den USA erarbeitet.

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