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Politik: Einsatz in Freundesland

US-Agenten verschleppen Islamisten aus Italien

Eine geheime Anti-Terror-Einheit der USA hat offenbar in Italien mindestens einen Verdächtigen entführt und ihn zu Verhören nach Ägypten verschleppt. Dabei soll er gefoltert worden sein. Die Mailänder Staatsanwaltschaft versucht derzeit, zahlreichen Indizien nachzugehen, und in der amerikanischen Luftwaffenbasis Aviano nördlich von Venedig zu ermitteln. Möglicherweise sind fünf weitere Islamisten, gegen die wegen Terrorverdachts ermittelt wurde, ebenfalls von den Amerikanern aus dem Verkehr gezogen worden.

Ein ähnlicher Fall beschäftigt die Behörden in Deutschland. Ende 2003 wurde der deutsche Staatsbürger Khaled al Masri, ein gebürtiger Libanese mit Wohnsitz Ulm, eigenen Angaben zufolge auf einer Reise nach Mazedonien gekidnappt und fünf Monate lang vorwiegend in Afghanistan festgehalten und misshandelt.

Die Zeitschrift „The New Yorker“ berichtete kürzlich über ein Geheimprogramm, mit dem der US-Geheimdienst CIA weltweit gegen mutmaßliche Terroristen vorgeht. Schätzungen aus New York besagen, dass bisher mindestens 150 Personen nach Ägypten, Marokko, Syrien, Jordanien oder Afghanistan verschleppt und dort von einheimischen Schergen misshandelt wurden. Amerikanische Kritiker der Regierung Bush sprechen von einer „Auslagerung der Folter“.

In Mailand hat es den gebürtigen Ägypter Abu Omar getroffen, der zunächst unter ungeklärten Umständen auf dem Balkan und dann als legaler Flüchtling in Italien wohnte. Der Imam lebte unter anderen Islamisten und galt, scharfer Polemiken gegen die USA wegen, als „Hitzkopf“. Auch soll er sich bereit erklärt haben, sich an einem „europäischen Terrornetz“ zu beteiligen und unter italienischen Muslimen Widerstandskämpfer für den Irak angeworben haben.

Abu Omar wurde am 17. Februar 2003 auf dem Weg zu einer Mailänder Moschee entführt; die Polizei hat rekonstruiert, dass etwa zwölf Agenten die Straße zuerst abgeriegelt und dann den damals 40-Jährigen in einen Lieferwagen gezerrt haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Lieferwagen in die amerikanische Luftwaffenbasis Aviano fuhr. Dort enden die als gesichert angesehenen Erkenntnisse zum Fall Abu Omar. Die von der Staatsanwaltschaft verlangten Auskünfte, unter anderem über die Flugbewegungen von Aviano aus, haben die US-Militärs bisher offensichtlich verweigert.

Dafür hat sich Abu Omar im Frühjahr 2004, fünfzehn Monate nach seinem Verschwinden, telefonisch bei seiner Ehefrau und bei einem Imam in Mailand gemeldet. In dem von der Polizei mitgehörten Telefonat gibt er an, auf einer US-Basis „von Leuten, die englisch sprachen“ verhört und geschlagen worden zu sein; danach habe ihn ein kleines Flugzeug nach Kairo gebracht, wo er von ägyptischen Offizieren in einem Spezialgefängnis extremer Kälte und Hitze sowie Stromschlägen ausgesetzt worden sei. Nach 14 Monaten hätten ihn die Ägypter unter der Auflage freigelassen, von den Torturen zu schweigen. Doch Abu Omar hielt sich nicht daran. Seine Schilderungen wurden in Zeitungen veröffentlicht – und Abu Omar in Ägypten erneut verhaftet. Seit dem 12. Mai 2004 fehlt von ihm jede Spur.

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