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Politik: Einsatz unter Vorbehalt

Die EU hat sich mit Ankara geeinigt und kann nun Nato-Friedensmissionen übernehmen – doch die Allianz zögert

Von Mariele Schulze Berndt,

Kopenhagen

Mit dem Treffen in Kopenhagen ist nicht nur die Erweiterung der Europäischen Union gelungen, sondern auch ein wichtiger Schritt in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Die EU kann jetzt auf die Planungskapazitäten und das Gerät der Nato zurückgreifen und ist dadurch grundsätzlich in der Lage, Einsätze auf dem Balkan zu übernehmen. Ob und wann es dazu kommt, ist jedoch fraglich. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hofft, dass die EU schon in den nächsten Monaten die Friedensmission in Mazedonien übernehmen kann. Die hat aber noch nicht entschieden, wann diese abgegeben werden soll. Zunächst müsse die Lage auf dem Balkan stabil genug sein, um sie der EU zu überlassen, heißt es im Nato-Hauptquartier in Brüssel. Bis März werde sich keinesfalls etwas ändern. Erst dann will die Nato Zwischenbilanz ziehen.

Während der Kopenhagener Gipfel seine Einigung über das Abkommen mit der Nato bekannt gab, machte sich in der US-Administration Unmut darüber breit, dass diese Entscheidung nicht vorher mit den Amerikanern abgestimmt worden war. Zudem sehen die USA Probleme bei der Informationsweitergabe an die EU, weil das entsprechende Sicherheitsabkommen noch nicht vorliege. Seit Jahren wird daüber gestritten, wie man vermeiden kann, dass Doppelstrukturen für die EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik aufgebaut werden müssen.

Zuletzt blockierten nur noch Griechenland und die Türkei ein Abkommen zwischen der EU und der Nato. Die Türkei band ihre Zustimmung zum Abkommen schließlich daran, dass die EU-Mitgliedstaaten sich zu einem Datum für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen durchrangen. Griechenland verlangte gleichzeitig die Aufnahme des griechischen Teiles Zyperns in die EU, auch ohne eine Wiedervereinigung der seit 1974 geteilten Insel. Die EU will die Übernahme des gemeinsamen Rechtsgutes durch den nördlichen Teil deshalb aussetzen. In den Schlussfolgerungen des Gipfels wird betont, dass der EU die Aufnahme der gesamten Insel lieber wäre.

Der Türkei kam die EU in drei Punkten entgegen. Sie sagte zu, die Beitrittsverhandlungen „ohne Verzögerung“ aufzunehmen, sobald die Kopenhagener Kriterien erfüllt seien. Zudem bekommt Ankara ein Mitspracherecht für Einsätze der EU in ihrem Einflussbereich. Außerdem dürfen Zypern und Malta nicht am militärischen Teil der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik teilnehmen, sondern nur politisch mitentscheiden. Formal wird das damit begründet, dass die beiden neuen Mitglieder weder der Nato angehören noch mit ihr so genante „partnership for peace-Abkommen“ geschlossen haben. So will die Türkei verhindern, dass der griechische Teil Zyperns den türkisch besetzten Teil der Insel überfällt.

Diplomaten vermuten , dass eine Lösung der Zypernfrage mit den Kopenhagener Entscheidungen in weite Ferne gerückt ist. Denn „die Türkei wird jetzt Zypern als Geisel nehmen“, hieß es. Die Griechen waren mit dem Verlauf der Zypern-Verhandlungen, die auf Initiative der UN am Rande des Gipfels stattfanden, nicht zufrieden: „Es war eine enttäuschende Erfahrung.“ Athen wirft dem türkisch-zypriotischen Verhandlungspartnern vor, „nichts als die Fortschreibung des status quo“ zu wollen. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich enttäuscht von den Zypern-Gesprächen. „Es ist bedauerlich, dass hier eine Chance verpasst wurde“, sagte ein Sprecher Annans in New York.

Mariele Schulze Berndt[Kopenhagen]

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