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Einwanderung: Warten aufs Visum

Wer Familie und Freunde in Deutschland besuchen oder einfach Urlaub machen will, muss Geduld haben - oft deutlich mehr, als die Regeln der EU vorsehen

Die deutsche Visapolitik bleibt restriktiv. In den acht Ländern – darunter Russland und die Türkei – , in denen deutlich über die Hälfte aller Visumanträge nach Deutschland gestellt werden, müssen Antragsteller oft sehr viel mehr als die vorgeschriebenen zwei Wochen auf einen ersten Gesprächstermin warten. Das hat die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zugegeben. Darin bestätigt das Auswärtige Amt auch die Praxis im Generalkonsulat Nowosibirsk: Dort sollte ein privater Antragsteller sieben Wochen warten. Geschäftsleute durften dagegen schon nach zehn Tagen vorsprechen.

Der Visakodex der EU von 2009 bestimmt, dass ein Termin in der Regel innerhalb von zwei Wochen vergeben werden muss; das Handbuch zum Kodex schreibt vor, dass ausreichend Personal auch für Stoßzeiten bereitsteht. Unterschiede zwischen geschäftlichen und privaten Gründen für eine Reise soll es dabei nicht geben.

Dennoch gibt es, so schreibt das Auswärtige Amt, „an vielen Dienstorten“ Regelungen zur „Vorhaltung von Terminkontingenten für Geschäftsleute, die häufig kurzfristig reisen müssen“. Dass auf der Website des Generalkonsulats in Istanbul gezielt private Besucher vor Wartezeiten von einem Monat gewarnt und zur Terminvergabe auf ein kostenpflichtiges Callcenter verwiesen wurden, erklärt die Bundesregierung mit „der allgemein bestehenden hohen Nachfrage nach Visumterminen zu Beginn der Hauptreisezeit“.

Für die Linken-Migrationspolitikerin und Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen sind das „faule Ausreden“; Stoßzeiten seien schließlich vorhersehbar. Die Ungleichbehandlung von Geschäfts- und privaten Reisenden nannte sie europarechtswidrig und diskriminierend. Im vergangenen Jahr war durch eine Linken-Anfrage herausgekommen, dass jahrelang regelmäßig etwa jedes dritte nicht erteilte Visum doch noch bewilligt wurde, wenn abgewiesene Antragsteller entweder Klage eingereicht oder mit ihr gedroht hatten.

Eigentlich sollten die Grenzen längst offener sein: Bei einer Anhörung Ende September im Bundestag schilderte nicht nur die Vorsitzende des Verbandes binationaler Familien die bösen Folgen der Abschottungspolitik für Verwandtenbesuche. Auch Vertreter von Wissenschaft und Wirtschaft forderten Erleichterungen. Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz stellte einen fraktionsübergreifenden Antrag in Aussicht. Schließlich hatte kurz zuvor selbst die Kanzlerin Änderungsbedarf festgestellt und in puncto Russland zugegeben, dass Deutschland in der Visapolitik bremse. Doch der gemeinsame Antrag steckt seither fest.

Probleme mit seiner harten Visapolitik hat gerade Großbritannien. Dort machen Universitäten und die Wirtschaft Druck, die jüngsten Verschärfungen zurückzunehmen. Der zuständige Staatssekretär im Innenministerium Damian Green musste in dieser Woche eine Charmeoffensive im Ausland starten. Nicola Dandridge, die Vertreterin der britischen Universitäten, sagte der BBC, es gebe bereits Zeichen, dass indische und brasilianische Studierende technischer und naturwissenschaftlicher Fächer inzwischen in gastfreundlichere Länder abwanderten. Dabei gehe es nicht nur um Regierungspolitik, sagte Dandridge: Auch die Atmosphäre, die sie schaffe und die übers Internet rasch in aller Welt zu spüren sei, verursache „echte Probleme“.

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