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Spekulatius im September? Das ist wie Weihnachtsmann in Badehose.

© dpa

Ein Zwischenruf zum Weihnachtsgebäck: Gesetze gegen das Singen

Ein Drittel der Deutschen fordert ein Gesetz gegen das vorzeitige Singen von Weihnachtsliedern, den Genuss von Weihnachtswein zum Oktoberfest, das Backen und Feilbieten von Weihnachtsgebäck, solange die Bäume noch Blätter tragen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Zwei Drittel der Deutschen sind genervt vom vorzeitigen Verkauf von Weihnachtsgebäck in den Supermärkten. Das hat eine Umfrage der vergangenen Woche zutage gefördert. Spekulatius im September verdirbt vor allem den 45- bis 55-Jährigen die Vorfreude auf das Weihnachtsfest. Der Glühwein im Oktober rückt in bedenkliche Nähe zum letzten sommerlichen Schwenkbraten. Weihnachtliche Gesänge zur Unzeit verdrängen herbstliches Volksliedgut. Da kann man durcheinanderkommen. Deshalb verlangt ein Drittel der Befragten ein Gesetz gegen das vorzeitige Singen von Weihnachtsliedern, den Genuss von Weihnachtswein zum Oktoberfest, das Backen und Feilbieten von Weihnachtsgebäck, solange die Bäume noch Blätter tragen.

Bewahre uns vor dem Bösen – weil die Bürger selbst die Energie nicht mehr aufbringen, am Süßigkeitenregal vorbeizugehen, soll es weg. Aber warum nur die Plätzchen? Sollte man nicht auch viel gefährlichere Sachen ganz aus dem Handel nehmen? Zigaretten etwa, Schnaps, reinen Zucker, Erdnüsse, Überraschungseier. Gut wäre es auch, bestimmte Produkte dem Auge des Konsumenten aus Diversity-Gründen zu entziehen. Dass beispielsweise Schweinefleisch in Metzgereiauslagen immer noch öffentlich ausgestellt werden darf, ist in einem Land des kulturellen Miteinanders nicht nötig. Überhaupt Fleisch: Wenn die Fleischtheken nur noch an zwei Tagen in der Woche geöffnet wären, würden die Leute weniger Fleisch essen, sie würden gesünder leben und könnten nebenbei auch noch die Umwelt schonen. Klimaschutz ist ein weiteres Argument gegen überbordendes Angebot im Handel: Erd- und Himbeeren von der südlichen Erdhalbkugel werden zur Unzeit herangeflogen, Spargel ebenso. Das muss nicht sein.

Erst wenn alle Regale leer geräumt sind, wenn die Verführung des Konsumenten gestoppt ist und die gesundheitsgefährdenden Auswirkungen des skrupellosen Einzelhandels beendet sind, wird Vernunft einkehren. Oder wir leben in einem Land, in dem der Staat das Angebot im Handel bestimmt. Es war ja nicht alles schlecht in der DDR.

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