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EKD und Muslime: Ende der Funkstille

Sechs Jahre nach dem großen Krach versuchen evangelische Kirche und organisierter Islam in Deutschland einen Neuanfang. Sogar zu Fragen der Zeit wollen sich beide öfter gemeinsam äußern.

Ali Kizilkaya bleibt nüchtern: Einen „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“ habe man am Donnerstag gemacht. Deutschlands Muslime und die evangelische Kirche haben nach jahrelanger Funkstille nämlich wieder auf Chefebene miteinander geredet, „sehr freundlich, auch da, wo man Kritik aneinander hat“, sagt Kizilkaya, der aktuelle Sprecher des Koordinationsrats der Muslime (KRM) ist, der Vertretung der vier großen Verbände Ditib, Zentralrat, Islamrat und VIKZ. „Wir haben schließlich nicht unseren Zusammenschluss beschlossen“, sagt er und lacht. „Aber es gab eine große Bereitschaft, auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Das ist schon sehr viel.“ Von „Augenhöhe“, sonst eine Forderung der Muslime, hatte diesmal öffentlich Präses Nikolaus Schneider gesprochen, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Vor mittlerweile sechs Jahren hatte ein Text, den die EKD herausgegeben hatte, die Beziehungen nachhaltig getrübt. Eine „Handreichung zum Umgang mit den Muslimen“ rief dazu auf, auch im Dialog der Religionen die Grenzlinien zwischen Christentum und Islam zu betonen. Außerdem äußerten die Verfasser mehrfach Zweifel an der Demokratietauglichkeit des Islam. Nicht nur Muslime protestierten – unter anderem gegen den als oberlehrerhaft kritisierten Ton der Broschüre – und zogen sich zurück; auch evangelische Theologen meldeten heftige Kritik an. Präses Manfred Kock, Amtsvorgänger des damaligen EKD-Vorsitzenden und Berliner Bischofs Wolfgang Huber, wandte sich öffentlich gegen die „Handreichung“ und warf seinem Nachfolger Fehler im Streit um die zentrale Kölner Ditib-Moschee vor.
Die Wogen glätteten beide Seiten zwei Jahre später bei einem Spitzentreffen. Doch für einen Neuanfang musste anscheinend erst ein Wechsel an der EKD-Spitze her, wo nach der kurzen Amtszeit von Margot Käßmann seit November 2010 Nikolaus Schneider amtiert. Die Brücken blieben schon wegen der vielen alten Kontakte an der Basis intakt, aber, so ist aus Kreisen des organisierten Islam zu hören, „viel Dialog war nicht mehr, es blieb distanziert.“

Auch wenn Kizilkaya lieber von einem ersten „Ideenaustausch“ in der Duisburger Merkez-Moschee spricht: Womöglich ist doch ein „Wendepunkt“ erreicht, wie sein Kollege vom Zentralrat der Muslime, Aiman Mazyek, sagt. Nicht nur einen religiösen Knigge will man gemeinsam schreiben – was tun als Christ in der Moschee, was als Muslima in der Kirche – auch ständige Kontakte auf Arbeitsebene sind geplant. Sie sollen, so Kizilkaya, helfen, dass man sich kurzfristig besser abstimmt. Mehr noch: Zu gesellschaftlichen Fragen wollen sich beide Seiten künftig öfter gemeinsam äußern. „Was schief läuft, sei es in Fragen von Gerechtigkeit, Werteverfall oder wachsender Armut, dem können wir uns als Christen und Muslime gemeinsam entgegenstellen,“ sagt Mazyek.

Das freilich war bisher christlich-christliches Gelände. Doch mit der katholischen Kirche haben beide, Muslime wie EKD, schon länger Probleme: Die Muslime ärgerte Papst Benedikt vor Jahren mit seiner Regensburger Rede, in der er in einem Zitat - nach Meinung von Kritikern ohne Distanz - Islam. und Gewalt zusammenbrachte. Zu Papstbesuchen werden Muslime nicht mehr eingeladen. Und die Ökumene ist praktisch tot, seit Rom Orthodoxe und erzkonservative Piusbrüder wichtiger sind als Luthers Enkel.

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