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Politik: Ende der Einigkeit

Die SPD befürchtet, dass Kritiker in ihren Reihen die verbesserten Umfragewerte wieder gefährden

Berlin - Auf der einen Seite eine Kanzlerin, die der Unions-Ministerpräsidenten nicht Herrin wird, auf der anderen eine verlässliche Sozialdemokratie, die einmal getroffene Koalitionsvereinbarungen geschlossen mitträgt – mit dieser für die SPD äußerst angenehmen Rollenverteilung der vergangenen Wochen im Streit um die Gesundheitsreform dürfte nun Schluss sein. Denn der neuerliche Kompromiss der Koalitionäre vom frühen Donnerstagmorgen stößt nicht nur bei Länderchefs der Union auf Skepsis, er löst auch in den Reihen der SPD deutliche Kritik aus.

Was für SPD-Chef Kurt Beck ein „guter Kompromiss“ und für SPD-Fraktionschef Peter Struck eine „revolutionäre Neuregelung“ ist, empfinden SPD-Politiker vom linken Flügel als Zumutung. So sieht der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg, Mitglied der Fraktionsarbeitsgruppe Gesundheit, mit der Reform das Ende des Solidarsystems im Gesundheitswesen heraufziehen. „Ich werde in der SPD-Fraktion für die Ablehnung der Reform werben“, kündigt er an. Die Koalition habe sich „auf dem Rücken der Kranken“ geeinigt; wenn der Kompromiss in Kraft trete, würden sich die Krankenkassen noch weniger um Chroniker und Sterbenskranke kümmern.

Wodarg zählt zu einer kleinen, aber renitenten Minderheit in der SPD-Fraktion, die dem Reformvorhaben um den geplanten Gesundheitsfonds im Bundestag auf keinen Fall zustimmen will: „Ich kann für mich und einige andere sagen, dass unsere großen Bedenken nicht ausgeräumt sind.“ Daneben halten etliche Kritiker wie die Wortführerin der SPD-Linken, Präsidiumsmitglied Andrea Nahles, ihr Abstimmungsverhalten offen. Dahinter steht auch die Hoffnung, im Gesetzgebungsverfahren noch Korrekturen durchsetzen zu können. „Wir werden um unsere Positionen im Gesetzgebungsverfahren kämpfen“, sagt SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen. Und Juso-Chef Björn Böhning fügt hinzu: „Wir haben bei Hartz IV gesehen, dass eine Eins-zu-Eins-Umsetzung sehr flexibel ausgelegt werden kann.“

Der SPD-Führung , die sich gerne weiter als ruhender Pol der Koalition feiern ließe, kommen solche Töne ungelegen. Kritiker müssen deshalb mit telefonischen Ermahnungen aus dem Willy- Brandt-Haus rechnen. Tenor: Man möge um der guten Umfragewerte willen – die SPD liegt nach dem jüngsten Deutschlandtrend im Auftrag von ARD und Tagesspiegel mit 33 Prozent um drei Punkte vor der Union – doch Zurückhaltung üben. Ähnlich hatte sich am Donnerstagmorgen in einer Telefonschaltkonferenz des SPD-Präsidiums auch der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, geäußert, ein Vertrauter von SPD-Chef Kurt Beck.

Bei der Union machen ähnliche Parolen die Runde. Zusammen mit einer Reihe werbender Telefonate von CDU-Chefin Merkel bei ihren Länderfürsten tragen sie dazu bei, dass gegen den Kompromiss zwar allgemeines Unbehagen laut wird – „erträglich“ nennt Saar-Landeschef Peter Müller das Ergebnis, ein Ausdruck knapp über dem Gefrierpunkt –, dass aber konkrete Nachforderungen bisher ausbleiben. Daraus zu schließen, es gäbe keine Einwände mehr, wäre voreilig. „Wir werden den Gesetzestext sehr genau prüfen“, heißt es in mehreren Landeshauptstädten. In Düsseldorf könnte sich die Prüfung schon vorher erledigen. Dort hält die FDP den Koalitionsvertrag hoch: Bei Uneinigkeit im Bündnis mit der CDU müsse sich das Land im Bundesrat enthalten.

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