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Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi.

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Update

Ende der Protestpartei: Linkspartei fürchtet AfD-Konkurrenz

Die Linken leiden darunter, dass die AfD immer stärker wird. Zudem fehlt die rot-rot-grüne Machtperspektive. Dafür macht die Linke die SPD verantwortlich.

Von Matthias Meisner

Als linker Ratgeber sieht sich Gregor Gysi weiterhin gern - selbst wenn er sich nicht mehr jede Parteitagung antun mag. Zum Magdeburger Linken-Bundesparteitag an diesem Wochenende wird der ehemalige Chef der Bundestagsfraktion - er hatte das Amt im Oktober abgeben - nicht fahren. Er sei „anderweitig beschäftigt“, teilt sein Sprecher mit. Die Analyse zum Zustand der Partei liefert er zuvor in Interviews. Die Linke sei "saft- und kraftlos", sagte der Bundestagsabgeordnete dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Wähler sprächen der Linken "die Gestaltungskraft ab, weil wir auf Bundesebene den Eindruck vermitteln, nicht in die Regierung zu wollen", sagte Gysi. 

Zu schaffen macht Gysi - ähnlich wie vielen Funktionären der Partei - zudem der Höhenflug der AfD. "Wir sind im Osten nicht mehr die Protestpartei, eher im Westen", sagte er. "Es schockiert mich, dass auch Arme, Abgehängte und Arbeitnehmer die AfD wählen." Zuvor schon hatte der Ex-Fraktionschef für einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten von SPD, Linken und Grünen plädiert - "der böte eine echte Alternative", wie er meinte. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf er vor, "allenfalls eine Scheinkanzlerkandidatur anzustreben". Der künftige SPD-Kandidat, egal ob Mann oder Frau, müsse die Kraft ausstrahlen, das Amt wirklich zu wollen. Dazu müsse eine Machtoption her.

Die SPD will sich nicht festlegen

Doch die SPD will sich auf eine Koalitionsaussage nicht festlegen, wie deren Fraktionschef Thomas Oppermann in der "Rheinischen Post" bekräftigte. Nach seiner Einschätzung wird im kommenden Bundestagswahlkampf keine Partei ein Bündnis ausschließen, aber auch keine Koalitionsaussage formulieren, abgesehen von einer Absage an die AfD. "Welche Rolle die Linkspartei nach 2017 spielt, hängt zuallererst von ihr selbst ab", sagt Oppermann. 

In der Linkspartei hingegen wird für die Verantwortung für die fehlende rot-rot-grüne Machtperspektive maßgeblich der SPD zugewiesen. SPD und Grüne seien von sozialer Gerechtigkeit "derzeit weiter entfernt als je zuvor, es gibt kein linkes Lager der Parteien mehr", analysierten die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger vor dem Konvent in Magdeburg. 

Deutlicher noch wird der Berliner Linken-Landeschef Klaus Lederer. "Es ist ein Trauerspiel mit dieser SPD", sagt er dem Tagesspiegel. Ein vermeintliches Interesse der SPD an sozialer Gerechtigkeit sei "unterm Strich nicht mehr als eine PR-Aktion". Parteichef Gabriel warf Lederer vor, "zu Kapriolen" zu neigen und letztlich "unberechenbar" zu sein. 

Abschreiben sollte die Linke die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit SPD und Grünen indes auf keinen Fall, mahnt deren Ex-Vorsitzender Klaus Ernst. "Es ist nicht zu spät, die Machtfrage zu stellen", meint er. "Es ist sogar eine Chance für Die Linke, wenn sie tut, wozu die SPD ganz offenkundig nicht in der Lage ist: Mobilisierungskern und intellektueller Kristallisationspunkt für einen progressiven Machtwechsel zu werden."

Bartsch weist Kritik von Gysi zurück

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, wies die Kritik seines Amtsvorgängers Gysi zurück. "Die Partei ist nicht saft- und kraftlos", sagte er der "Thüringer Allgemeinen". Die Bundestagsfraktion nehme ihre Aufgabe der Oppositionsführung entschlossen wahr.

Laut Bartsch ist die Analyse Gysis falsch, dass die Linke im Osten ihre Status als Protestpartei eingebüßt habe. "Die Linke ist weiterhin eine Adresse für Protest gegenüber der großen Koalition", erklärte der Fraktionschef. Gleichzeitig sei es aber richtig, dass sich die Partei "noch engagierter" der Situation eines erstarkenden Rechtspopulismus stellen müsse.

Bartsch sprach sich trotz der jüngsten Niederlagen bei mehreren Landtagswahlen entschieden dafür aus, Regierungsbeteiligungen anzustreben. "Dort, wo es die rechnerische Möglichkeit gibt, die Bedingungen stimmen und wir etwas für die Menschen positiv verändern können, nehmen wir selbstverständlich Regierungsverantwortung gern wahr", sagte er der in Erfurt erscheinenden Zeitung. "Wir haben uns noch nie verweigert." Dies gelte in den Kommunen, den Ländern und im Bund. Er sei zuversichtlich, dass die Linke bei den noch in diesem Jahr anstehenden Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zulegen könne.

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