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Energie: Merkel verzögert Entscheidung über Atomausstieg

Die Wahl in NRW – Kanzlerin Merkel will angeblich erst nächsten Mai eine Entscheidung über die Laufzeiten für AKWs fällen. Damit verärgert sie Unions- und FDP-Kollegen.

Erst gestern hatten sich die Koalitionspartner aus FDP und Union auf harte Auflagen für längere Laufzeiten bei Kernkraftwerken geeinigt. Heute sieht es so aus, als wolle sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Frage der längeren Laufzeiten zunächst weitgehend offen halten. "Die Ansage der Kanzlerin ist, dass im Koalitionsvertrag nur eine sehr allgemeine Formulierung steht", verlautete aus Merkels Umgebung, Merkel wolle keine Entscheidungen vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai.

Namentlich zitieren lassen wollte sich niemand, mit den Verhandlungen vertraute Personen deuteten den Satz als einen Eingriff der Kanzlerin in die laufenden Koalitionsverhandlungen zur Frage der Energiepolitik. Der Vorstoß sei auch mit FDP-Chef Guido Westerwelle abgesprochen, hieß es an anderer Stelle. Merkel und Westerwelle hatten vor der Wahl dafür geworben, den rot-grünen Atomausstieg in Teilen rückgängig zu machen.

Nach Angaben aus dem Umfeld von Teilnehmern der Koalitionsgespräche wurde die Arbeitsgruppe Wirtschaft von dem Merkel-Vorstoß überrascht. FDP-Parteivize Rainer Brüderle sei ebenso wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verärgert gewesen. Das Thema soll am Montag im CDU-Präsidium besprochen werden.

Oettinger, in dessen Land der Energiekonzern EnBW besonders stark auf Atomkraft setzt, würde im Falle einer Verzögerung Beschlüsse zur Atomkraft in seinem Wahlkampf zu verteidigen haben, hieß es. In Baden-Württemberg wird Anfang 2011 gewählt. Der Unions-Energieexperte Joachim Pfeiffer, ebenfalls aus Baden-Württemberg, sagte nach der Sitzung: "Aus meiner Sicht ist klar, dass wir dieses nicht ewig verschieben sollten, sondern da müssen jetzt die Grundlagen und Eckpfeiler gelegt werden."

Auch die FDP-Energieexpertin Gudrun Kopp forderte klare Aussagen der Union über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. "Es ist schlicht nicht akzeptabel, eine Entscheidung bis Mitte nächsten Jahres zu vertagen", sagte Kopp am Freitag in Berlin. Wirtschaftspolitiker drängen auf möglichst konkrete Festlegungen im Vertrag, um die eher atomkritischen Umweltpolitiker in den Fraktionen auszubremsen und so dem künftigen Umweltministerium Spielraum zu nehmen.

Das Umweltministerium wird auch künftig für die Atomaufsicht zuständig sein und könnte bei der Umsetzung von Laufzeitverlängerungen hohe Auflagen verhängen. In ihrer Arbeitsgruppe hatten die Umweltexperten einen ersten Entwurf für den Koalitionsvertrag ausgearbeitet, in dem hohe Hürden für eine Laufzeitverlängerung einzelner Reaktoren vorgeschrieben wurden. Allerdings verlautete aus Kreisen sowohl der Umwelt- wie Wirtschaftsgruppe, das Thema Atom sei noch nicht abschließend behandelt worden. FDP-Verhandlungsführer Michael Kauch sagte, über konkrete Laufzeiten sei bisher überhaupt nicht gesprochen worden.

Einigkeit bestehe nur darin, dass die Erforschung des geplanten Endlagers in Gorleben wieder aufgenommen werden solle. Auch für das in der auslaufenden Wahlperiode gescheiterte CCS-Verfahren zur Erhaltung von Kohlekraftwerken mit geringerem CO2-Ausstoß soll es einen neuen Gesetzesvorstoß geben. Deren Betrieb soll damit ebenso wie die Verlängerung der Atommeiler-Laufzeiten für etliche Überbrückungsjahre aufrechterhalten werden.

Dazu ist noch festzulegen, von welchem Jahr an erneuerbare Energien wie Wind- und Sonnenkraft künftig allein Deutschland mit Strom versorgen sollen. Dies ist das gemeinsame Ziel von Union und FDP. Erst dann sollen auch die letzten AKW vom Netz gehen. Nach bisherigem Plan ist dies für die noch 17 Meiler in Stufen bis etwa 2022 vorgesehen.

Das Vorgehen der Kanzlerin sorgte auch bei den Energieunternehmen für erhebliche Unruhe. Der Chef von Deutschlands größtem Versorger E.ON, Wulf Bernotat, hatte schon vor wenigen Tagen gesagt, es könne bis zum kommenden Sommer dauern, ehe es eine Entscheidung gibt. Merkels Vorstoß wollten am Freitag weder E.ON noch RWE kommentieren. "Die Entscheidung liegt bei der Politik", sagte ein E.ON-Sprecher.

Wenn diese sich aber weiter verzögert, stünden Reaktoren wie Biblis A und Brunsbüttel vor dem Aus, da ihre bislang genehmigte Betriebszeit ausläuft. Neckarwestheim I müsste schon im Frühjahr vom Netz.

Die SPD warnte unterdessen die Betreiber der Atomkraftwerke davor, sich auf die von Schwarz-Gelb geplante Verlängerung der Laufzeiten einzulassen. Niemand gebe eine Garantie, dass Zusagen für die Energieplanung der Konzerne über das nächste Wahljahr 2013 hinweg Bestand hätten, sagte der Noch-Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber.

Quelle: ZEIT ONLINE, Reuters, dpa

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