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Energiepolitik: Alle Jahre wieder - Wird es einen Winter ohne Gasstreit geben?

Die ukrainische Ministerpräsidentin und Russlands Präsident zeigten sich in dieser Woche nach Verhandlungen über den Gastransfer ungewohnt harmonisch. Wird es wirklich einen Winter ohne Gasstreit und ohne eingestellte Lieferungen nach Westeuropa geben?

Von Anna Sauerbrey

Das Wetter war mild in dieser Woche – doch die Nachrichten aus Russland und der Ukraine jagten so manchem zur Wochenmitte kalte Schauer über den Rücken. Es ging um die Frage, ob sich in diesem Winter der Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland wiederholen wird, der bereits zum Jahreswechsel 2005/2006 und erneut 2008/2009 dazu führte, dass Russland seine Gaslieferungen einstellte. Im vergangenen Januar riefen Rumänien, Bulgarien, Ungarn und die Slowakei den Energienotstand aus. Bulgarische Schulen und Kindergärten blieben geschlossen.

Zum Anfang der Woche versuchte es die EU mit Blick auf die kühlen Monate mit warmen Gedanken. Die europäischen Staaten seien gut gewappnet, auch habe man mit Russland ein Frühwarnsystem vereinbart. Aber dann kündigte die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko am Mittwoch an, die Transfergebühren für das Durchleiten von russischem Gas zu verdoppeln. Nach zwölfstündigen Verhandlungen erklärten Timoschenko und ihr russischer Amtskollege Wladimir Putin die Streitigkeiten für ausgeräumt.

Trotzdem ist ungewiss, ob in der EU im kommenden Winter tatsächlich genügend Gas ankommt. Die Voraussetzungen dafür sind zwar insgesamt besser als in vergangenen Jahren. Wegen des Drucks der Europäer hat der Internationale Währungsfonds seine Zahlungen an die Ukraine eingestellt, was sich mäßigend auf den dortigen Anti-Russland-Kurs auswirken könnte. Experten wie Susan Stewart, Mitglied der Forschungsgruppe Russland/GUS der Stiftung Wissenschaft und Politik, und Alexander Rahr, Programmdirektor Russland der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, weisen aber darauf hin, dass sich durch die russisch-ukrainischen Harmoniebekundungen in der Sache nicht viel verändert habe. Vielmehr sei der gegenwärtige Kurs politisch zu verstehen. In der Ukraine wird im Januar ein neuer Präsident gewählt. Die Kandidatin Timoschenko hat sich nun positioniert. Sie wird mit Russland kooperieren. Für Unruhe könnte ihr Konkurrent Viktor Juschtschenko sorgen, der zwar chancenlos ist, aber versucht, Aufmerksamkeit zu erzeugen, indem er bestehende Gasverträge mit Russland offen in Frage stellt. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor liegt nach Ansicht von Rahr in den maroden ukrainischen Staatsfinanzen. Dass auch in diesem Winter das Land für sein russisches Gas nicht wird bezahlen können, ist keineswegs ausgeschlossen. Und darauf müsste Russland reagieren.

Für Europa heißt das, dass es sich langfristig von russischem Gas unabhängiger machen muss. Nach wie vor kommt ein Viertel des europäischen Gases aus Russland, 80 Prozent davon nehmen den Weg über die Ukraine. Beide Länder werden in den kommenden Wintern Unsicherheitsfaktoren bleiben. Es gilt also, Projekte wie den Bau der Nabucco-Pipeline, die Gas aus dem Kaukasus oder dem Iran liefern könnte, voranzutreiben. Im Moment allerdings hat ein Konkurrenzprojekt die Nase vorn. Bereits vor einer Woche schloss Russland mit Slowenien als letztem von fünf Vertragsländern ein Abkommen über die „South Stream“-Pipeline. Deren Bau kann damit beginnen.

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