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Unter Spannung. Die Positionen in der Regierung werden sich auch durch das Energiegutachten nicht mehr ändern. Jeder bewertet es, wie es gerade passt.

© ddp

Energiepolitik: Ein Gutachten, viele Interpretationen

Die Minister für Umwelt und Wirtschaft, Norbert Röttgen und Rainer Brüderle, haben eine Studie in Auftrag gegeben – einig sind sie nicht.

Berlin - Seit Freitag analysieren das Wirtschafts- und das Umweltministerium die Energieszenarien, die sie im April bei drei Forschungsinstituten in Auftrag gegeben hatten. Ein Gutachten zu diesen Szenarien, die sich vor allem durch die jeweilige Länge der geplanten Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke unterscheiden, soll die Grundlage für das Energiekonzept liefern, über das die Bundesregierung am 28. September entscheiden will.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte der „Wirtschaftswoche“, das Gutachten hätte ergeben, dass der volkswirtschaftliche Nutzen bei einer Laufzeitverlängerung von zwölf bis 20 Jahren am höchsten sei. Deshalb solle man sich in der Mitte treffen. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte dem ZDF, es sei über einen „Korridor von zehn bis 15 Jahren diskutiert worden“, und er sei sicher, dass diese „Größenordnung“ auch beschlossen werde. Dagegen sagte Josef Göppel (CSU), Obmann der Unions-Fraktion im Umweltausschuss, der Nachrichtenagentur dpa: „Der von manchen erwartete klimapolitische und ökonomische Vorteil ist nicht daraus abzuleiten, wenn man die breit gestreute Wertschöpfung von erneuerbaren Energien im ganzen Land berücksichtigt.“

Offenbar hält Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die von den Gutachtern formulierte Zusammenfassung für eine unzulässige politische Wertung, berichtet das „Handelsblatt“. Danach will Röttgen die Zusammenfassung aus dem Gutachten streichen lassen, bevor es veröffentlicht wird. Nach Informationen des „Handelsblatts“ kommen die Gutachter darin zu dem Ergebnis, dass bei einem frühzeitigen Aus für die Atomenergie in Deutschland der Import von Strom aus ausländischen Kernkraftwerken stark an Bedeutung gewinnen würde. Außerdem sind aus Sicht der Gutachter sämtliche Szenarien nur realistisch, wenn ein verbindliches Klimaschutzabkommen zustande kommt, das auch von den USA, China und Indien getragen würde.

Die beiden Minister hatten drei Institute mit der Berechnung der Energieszenarien beauftragt: das atomfreundliche Energiewirtschaftliche Institut Köln (EWI), das rund acht Millionen Euro von den beiden Energiekonzernen RWE und Eon bekommt, das von der Verlagsgruppe Holtzbrinck getragene Prognos-Institut und die Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS), eine Ausgründung aus der Universität Osnabrück. Alle drei Institute sind zum Teil seit Jahren für die Bundesministerien tätig. So haben beispielsweise Prognos und GWS gemeinsam erst Mitte Juni ein Gutachten im Auftrag des Wirtschaftsministers vorgelegt, das die Thesen der nun vorgelegten Zusammenfassung belegen soll. Darin hat Brüderle die Gutachter errechnen lassen, dass eine Vorreiterrolle im Klimaschutz für Europa insgesamt, besonders aber die Deutschlands mit Wachstumsverlusten zwischen 0,6 und 0,9 Prozent bezahlt werden müsste. Zugleich ließ er die beiden Institute aber auch errechnen, dass diese volkswirtschaftlichen Kosten durch längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke kompensiert werden könnten.

EWI/Prognos waren noch 2007 im Vorfeld des damaligen Energiegipfels im Kanzleramt bei ihren Szenarien zu dem Schluss gekommen, dass nur ein minimaler Stromimport von etwa 0,3 Prozent des deutschen Stromverbrauchs bis 2020 notwendig würde, wenn es beim Atomausstieg bliebe. Damals waren die beiden Institute von einem Anteil der erneuerbaren Energien von lediglich 24,4 Prozent bis dahin ausgegangen, Wirtschafts- und Umweltministerium nehmen inzwischen jedoch gemeinsam einen Anteil von 38,6 Prozent an.

Wie die drei Institute im Falle längerer Laufzeiten zu Aussagen über mögliche Strompreisminderungen gekommen sind, ist ebenfalls schwer nachvollziehbar. Denn das EWI hat erst im Februar im Auftrag des Wirtschaftsministeriums ein Gutachten über die Strompreisbildung vorgelegt und darin präzise erklärt, dass sich der Strompreis unter Wettbewerbsbedingungen entlang der Kosten des gerade teuersten Kraftwerks bildet. Der abgeschriebene Atomstrom hat mit der Preisbildung also wenig zu tun – mit den Gewinnen der Unternehmen aber durchaus.

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