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Energiepolitik: Rütteln am Atomausstieg

Nach dem Öllieferstopp aus Russland ist der Streit um eine weitere Nutzung der Kernenergie neu entbrannt. Die Umweltorganisation Greenpeace wies darauf hin, dass auch Uran importiert werden muss.

Berlin/Brüssel - Während Union und FDP den beschlossenen Atomausstieg in Frage stellten, warnten SPD, Grüne, Linkspartei und Umweltverbände vor einem solchen Schritt. In der Nacht zum Montag waren die Öllieferungen nach Polen und Deutschland unterbrochen worden. Noch sehen deutsche Energiekonzerne und die EU-Kommission die Versorgung nicht gefährdet. Einen so langen Lieferstopp hat es bisher noch nicht gegeben. Daher musste bereits die PCK Raffinerie GmbH in Schwedt (Brandenburg) nach Angaben eines Sprechers ihre Produktion "leicht zurückfahren", die Total-Raffinerie Mitteldeutschland in Leuna griff auf ihre Reserven zurück. Beide Raffinerien werden durch die Pipeline jährlich mit 22 Millionen Tonnen russischen Erdöls versorgt.

Merkel: Folgen eines Ausstiegs bedenken

Vor diesem Hintergrund betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), es sei "klug, sich nicht einseitig von einem Lieferanten abhängig zu machen". Zudem müsse verstärkt auf Erdgas gesetzt und alternative Energiequellen ausgebaut werden. "Deshalb muss man sich natürlich auch überlegen, was für Folgen hat es, wenn wir Kernkraftwerke abschalten."

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer entgegnete, man solle nicht die "allerabgeschmackteste Debatte" neu beleben. Die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti nannte Merkels Argumentation "oberflächlich und fadenscheinig". Der Naturschutzbund (NABU) mahnte, mit dem Lieferstopp nicht "Stimmung für eine Abkehr vom Atomausstieg" zu machen.

Rückendeckung erhielt die Kanzlerin indes aus den eigenen Reihen und von der EU-Kommission. Diese will am Mittwoch vorschlagen, neben fossilen künftig auch weiter auf atomare Energieträger zu setzen. CSU-Chef Edmund Stoiber forderte bereits, man werde "neu diskutieren müssen", ob es angesichts der Energieimport-Abhängigkeiten vertretbar sei, aus der Kernenergie auszusteigen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer ergänzte, der Atomausstieg müsse zumindest auf eine "längere Rampe" gebracht werden.

Energieträger Uran muss fast zu 100 Prozent importiert werden

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace widersprach dem energisch. Deutschlands Energieversorgung sei zwar zu 30 Prozent von Atomstrom anhängig, räumte Greenpeace-Energie Thomas Breuer ein. Doch müsse der Energieträger Uran zu fast 100 Prozent importiert werden. "Ein Ausstieg aus dem beschlossenen Atomausstieg hieße, diese Abhängigkeit für die nächsten Jahre zu zementieren", warnte er.

Auch die Grünen und die Linkspartei forderten, jetzt erst recht verstärkt auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zu setzen. Die Liberalen sprachen sich für einen Energiemix aus, der "keine Energieart aus ideologischen Gründen ausschließen darf". FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger betonte: "Nüchtern betrachtet, gehört zu einer Diversifizierung und Senkung der Abhängigkeit auch die weitere Nutzung der Kernenergie."

Für die Mehrheit der Deutschen kommt ein solches Szenario allerdings nicht in Frage. In einer N24-Emnid-Umfrage sprachen sich 61 Prozent gegen eine weitere Nutzung der Kernenergie über die rot-grüne Ausstiegsvereinbarung hinaus aus. Lediglich 34 Prozent waren der Ansicht, die Kernenergie sollte auch darüber hinaus weiter genutzt werden. (André Spangenberg/ddp)

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