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Mehr Kohle, mehr Wind. Vor dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde dreht sich ein Windrad. Bis Ostern soll ein Entwurf für eine EEG-Reform vorliegen. Die große Koalition will bei der Ökostromförderung schnell Fakten schaffen.

© dpa

Energiewende: Eine erneuerbare Reform

Die Ökostromförderung soll in diesem Frühjahr neu gestaltet werden. Die Grünen bieten Hilfe an Schon längst haben Experten und Interessengruppen ihre Vorstellungen vorgelegt.

Bis Ostern soll ein Entwurf vorliegen, im Sommer soll das Erneuerbare- Energien-Gesetz (EEG) im Bundestag reformiert werden. So steht es im Koalitionsvertrag. Das EEG ist von zwei Seiten unter Druck geraten: Zum einen verlangt die Europäische Kommission Veränderungen bei der Entlastung der deutschen Industrie von den Kosten des Ausbaus von Wind- oder Solaranlagen. Deshalb ist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag nach Brüssel gefahren, um mit den zuständigen EU-Kommissaren zu sprechen. Zum anderen ist die EEG-Umlage, über die Haushalte und Gewerbe die Ökostromförderung bezahlen, zwei Jahre in Folge stark gestiegen.

Das EEG soll weniger kosten, und es soll den EU-Anforderungen bei der Entlastung der Industrie entsprechen. Das sind die erklärten Ziele der großen Koalition. Außerhalb des Bundestags wie innerhalb des Parlaments wird deshalb schon seit Monaten darüber nachgedacht, wie das EEG reformiert werden soll. Der schleswig-holsteinische Energiewendeminister Robert Habeck hat Sigmar Gabriel angeboten, gemeinsam mit seinen grünen Kollegen aus den Ländern an einem Konzept für die Energiewende mitzuarbeiten. „Die sieben grünen Landesminister sind bereit, die Energiewende mitzugestalten. Dass die Grünen im Bund in der Opposition sind, heißt nicht, dass sie die Energiewende nicht mitgestalten“, sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel. Habeck plädierte dafür, dass man sich frühzeitig an einen Tisch setzt. „Wir wollen schon an den Eckpunkten mitarbeiten und nicht erst über einen fertigen Gesetzentwurf diskutieren“, sagte er. „Wir wollen gestalten. Dort, wo die Regierung Schwachsinn macht, werden wir das aber auch benennen, dort, wo wir helfen können, wollen wir das aber auch tun“, kündigte der Minister an.

Die Grünen bieten Gabriel Unterstützung an

Habeck ist Gast bei der Klausurtagung der Grünen-Bundestagsfraktion in Weimar, die an diesem Mittwoch beginnt. Ein Schwerpunkt soll die Energiewende werden. „Neuer Schwung durch Kostenschnitt beim Ökostromausbau?“ heißt die Frage, welche die Abgeordneten sich stellen wollen. Dabei soll auch ein Modell diskutiert werden, das der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) in die Diskussion gebracht hat. Der Gründungsdirektor des IASS-Instituts in Potsdam hat angeregt, den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mehr nur über die EEG-Umlage zu bezahlen, sondern einen Altschuldenfonds aus Steuergeldern einzurichten. So ließen sich die Kosten der Energiewende strecken und fairer verteilen, argumentiert Töpfer. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hat gerade einen ähnlichen Vorschlag vorgelegt. Die Idee ist bei den Grünen allerdings umstritten.

Habeck forderte, die Energiewende über den Preis zu steuern und nicht über eine Mengendeckelung. Er regte an, den maximalen Förderpreis beispielsweise auf die tatsächlichen Produktionskosten von Kohle- oder Atomkraftwerken zu begrenzen und so die Förderung auf Energien zu konzentrieren, die besonders effizient seien. Dazu zählte er die Windkraft an Land, die Solarenergie – und perspektivisch Offshore-Windparks. „Viele Erneuerbare können Strom schon heute preiswerter produzieren als Fossile. Auf sie sollten wir vor allem setzen“, erläuterte Habeck. Nach seinen Berechnungen könne man bis 2025 den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix auf 50 Prozent verdoppeln für die Hälfte der bisherigen Kosten. „Wenn wir alles richtig machen, begrenzen wir die Kosten und tun mehr für den Klimaschutz“, meint Habeck.

Wie schnell, wie teuer, wie demkratisch soll das EEG sein?

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel hat ebenso einen Reformvorschlag gemacht wie mehrere Wirtschaftsverbände. Die Modelle sind sehr verschieden und zum Teil auch schwer vergleichbar. Doch die Fragen, die der Bundestag am Ende entscheiden muss, haben der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der Thinktank Agora-Energiewende und das IASS in Potsdam bereits gestellt. Wie schnell und in welchem Umfang sollen erneuerbare Energien ausgebaut werden? Darauf gibt der Koalitionsvertrag mit den dort beschlossenen sogenannten Ausbaukorridoren bereits eine Antwort. Bis 2025 soll der Anteil erneuerbarer Energien auf 40 bis 45 Prozent steigen, bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent.

Was darf der Umbau des Energiesystems kosten, und welche Kosten werden dabei den erneuerbaren Energien zugerechnet? In diesem Zusammenhang werden auch ein Altlastenfonds (IASS) oder eine Kreditfinanzierung (Aigner) diskutiert. Industrieverbände plädieren für eine Abschaffung der bisherigen Einspeisevergütung für erneuerbar erzeugten Strom. Stattdessen soll nur noch ein bestimmter Anteil Wind- oder Solarstrom über eine Quote gefördert werden. Dieser Vorschlag hat allerdings bei den drei Regierungsparteien kaum Anhänger. Stattdessen diskutieren sie darüber, ob die Kosten gedrückt werden können, wenn Anlagenbetreiber ihren Strom selbst vermarkten müssen. Und ob ihnen eine flexible oder eine fixe Marktprämie gezahlt werden soll. Der SRU, Agora und das IASS dagegen wollen bei der Einspeisevergütung bleiben. Allerdings sollen die Anlagenbetreiber mehr Marktrisiken übernehmen. Ein weiterer Vorschlag, vertreten durch ein Gutachten im Auftrag der Baden-Württemberg-Stiftung oder dem Verband kommunaler Unternehmen, sieht vor, die Höhe der Einspeisevergütung künftig über eine Ausschreibung zu ermitteln.

Wer die Energiewende auch als demokratisches Projekt sieht, für den ist die Frage, ob auch in Zukunft Privatinvestoren und Genossenschaften in der Lage sein werden, neue Windparks oder Solaranlagen zu bauen und zu betreiben, besonders wichtig. Das liegt Josef Göppel am Herzen, der sich für dezentrale Lösungen einsetzt. Es hängt letztlich vom Fördersystem ab, wie hoch die Kapitalkosten für Investoren werden und wie hoch die Betreiberrisiken sein werden. Daran wird sich entscheiden, ob die erneuerbaren Energien auch in Zukunft überwiegend in Privatbesitz sein werden, oder ob doch wieder nur große Investoren und Energiekonzerne zum Zug kommen werden.

Eines haben Gabriel und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) aber bereits klargemacht: Sie halten daran fest, dass Europa engagierte Klimapolitik machen soll. Mit ihren Kollegen aus Großbritannien, Frankreich und Italien fordern sie die EU-Kommission in einem offenen Brief dazu auf, das mittelfristige Klimaziel für die EU bis 2030 auf eine Emissionsminderung von mindestens 40 Prozent im Vergleich zu 1990 festzusetzen.

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