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Kein Obdach mehr. Das Erdbeben zerstörte diese Siedlung im nepalesischen Gorkha.

© Athit Perawongmetha/Reuters

Erdbeben im Himalaya: Nepal braucht langfristige Hilfe beim Wiederaufbau

Das Erdbeben in Nepal könnte ein Weckruf sein: Nach der Nothilfe für die Opfer der Katastrophe muss die internationale Gemeinschaft den Bewohnern des armen Landes auf Dauer helfen, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ingrid Müller

Das Unglück übersteigt unsere Vorstellungskraft. Das Beben in Nepal erinnert uns, die wir so stolz sind auf unsere Zivilisation, an die Stärke der Natur, die wir nicht bändigen können. Es erinnert uns auch, dass die Erde nicht überall so erschlossen, scheinbar aufgeräumt und erreichbar ist, wie wir es in Deutschland gewöhnt sind. Das irritiert uns irgendwie nach jeder Katastrophe wieder. Das sollte uns ein wenig nachdenklich machen.

Forscher würden Beben zu gern voraussagen, doch noch hat das niemand geschafft. Experten halten sogar noch schlimmere Beben in dem am dichtesten besiedelten Bergstaat der Welt für möglich, mit 350 000 Toten. Alle wissen, dass die Erdplatten dort besonders stark arbeiten. Zyniker mögen meinen, dann sollten dort eben keine Menschen wohnen. Doch das ist so kalt wie illusorisch. Es würde übrigens wohl auch für Kalifornien oder Istanbul gelten. Die meisten Menschen in Kathmandu haben nicht viel, aber sie haben hier: ihre Heimat. Und aus aller Erfahrung, selbst wenn das Leben dort so schwierig ist, wie Europäer es sich kaum vorstellen können – diese Menschen lieben ihre Scholle. Die Touristenzahlen zeigen es, auch die Fremden lieben dieses Nepal. Auf ihre andere Weise.

Wir wissen fast nichts

Das Beben hat alle aufgerüttelt, Teams rund um den Globus sind unterwegs, um zu helfen. Das ist so gut wie nötig. Es macht Mut. Doch merken die Helfer, wie so oft bei Katastrophen in den ärmsten Ländern auch: Wir wissen fast nichts. Aus den vermutlich am schlimmsten betroffenen Gegenden gibt es auch Tage danach kaum Informationen, weil die Kommunikationsnetze zusammengebrochen sind. So bitter es ist, oft sind sündhaft teure Satellitentelefone die einzige Kontaktmöglichkeit, gesetzt den Fall, jemand schafft es zu den Bedürftigen.

Die Hilfsbereitschaft ist groß, zum Glück. Rasch ist jetzt eine Luftbrücke mit sehr viel mehr Hubschraubern nötig. Schon, weil in die Dörfer an den steilen Hängen noch nie gut ausgebaute Straßen führten. Es geht um viele, viele Menschen, die verzweifelt auf Hilfe warten. Die um ihre Toten trauern, die unter freiem Himmel campieren, die oft nichts zu essen oder zu trinken haben. Manche leiden an fürchterlichen Verletzungen.

Nicht das Interesse an Nepal verlieren

Nach der Nothilfe müssen sich Staaten wie Hilfsorganisationen auf den noch mühsameren Weg machen: Wiederaufbau und langfristige Unterstützung, um den Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Erinnern wir uns an die Millenniumsziele der Vereinten Nationen. Die Armut sollte bis 2015 halbiert werden. Nepal war wohl noch nicht dran. Dieses Beben könnte, ernst genommen, ein Weckruf sein: dass die Vertreter der Welt nicht nur bestürzt horrende Summen ausloben, um hernach das Interesse zu verlieren oder in Hilflosigkeit zu sinken, die Gelder gar nicht zu zahlen oder sie großzügig für die eigene Hilfsmaschinerie auszugeben, wie zu guten Teilen in Haiti. Da tut schmerzhafte Ehrlichkeit not.

Ganz praktisch: Auch besseres Bauen kann Leben retten, wie das Erdbebenland Chile zeigt. Doch das kostet Geld und fordert konsequenten Willen. Sollte in Nepal gelingen, was in Italien nicht möglich war? Dafür könnten sich die Trekker einsetzen, die die grandiose Natur und die freundlichen Menschen so mögen, und die finanzstarken Bergsteiger, die sich gern am Mount Everest beweisen. Sie würden den Menschen helfen, die ihnen so schöne Erlebnisse schenken.

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