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Dabei sein ist alles: Recep Tayyip Erdogan (l.) zu Besuch bei George Papandreou.

© AFP

Staatsbesuch: Erdogan in Athen: Harmonie und Missklang

Beim Erdogan-Besuch in Athen bleiben die Streitfragen zwischen Griechenland und der Türkei ungelöst. Immerhin wollen sich die Regierungschefs beider Länder aber künftig regelmäßig treffen.

Türkische Journalisten wissen es seit langem, jetzt haben es auch die griechischen erfahren: Der türkische Premier Tayyip Erdogan ist kein Diplomat. Bei unbequemen Fragen fährt er schnell aus der Haut. Vor seiner Rückreise nach Ankara traf sich Erdogan am Samstag mit Chefredakteuren griechischer Zeitungen. Als Giorgos Charvalias, Chef der Zeitung „Ethnos“, wissen wollte, warum türkische Kampfjets immer wieder im Tiefflug über griechische Ägäisinseln donnern, wurde der Premier ungehalten: „Sie sollten positiv über die griechisch-türkischen Beziehungen schreiben“, forderte er.

Die griechischen Medien ließen sich als Sprachrohr des Verteidigungsministeriums missbrauchen, übten sich in „Kriegsberichterstattung“ und schürten damit den Ägäiskonflikt, rügte der Premier in barschem Ton. Dass die Griechen wegen der Tiefflüge türkischer Militärjets über ihren Inseln besorgt sind, scheint Erdogan nicht zu verstehen: „In den siebeneinhalb Jahren, die ich Ministerpräsident bin, habe ich noch kein Land bombardiert“ – was so nicht stimmt, wenn man an die massiven türkischen Luftangriffe auf kurdische Rebellen im Nordirak denkt.

Der Wortwechsel holte die Teilnehmer des Treffens auf den Boden der Tatsachen zurück. Händeschütteln, Lächeln, Umarmungen: Es waren Bilder der Harmonie, die Erdogan und sein griechischer Gastgeber Giorgos Papandreou anlässlich dieses Besuchs zu produzieren versuchten. Erdogan war noch gar nicht in Athen gelandet, da sprachen griechische Diplomaten schon von einem „historischen Besuch“. 21 Abkommen über bilaterale Zusammenarbeit unterzeichneten die Regierungschefs, vom Tourismus über Forschung, Bildung und Kultur bis zum Umweltschutz. Aber nachdem Erdogan wieder abgereist ist, zeigt sich: In keiner der bilateralen Streitfragen gibt es eine wirkliche Annäherung.

Auch in der Zypernfrage bewegt sich nichts

Den griechischen Vorschlag, die Kontroverse um die Wirtschaftszonen in der Ägäis vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag schlichten zu lassen, lehnt die Türkei weiter ab. Die türkische Drohung, es sei für Ankara ein „Casus Belli“, ein Kriegsgrund, wenn Griechenland seine Hoheitsgewässer in der Ägäis auf zwölf Meilen ausdehne, stehe weiterhin im Raum, bestätigte Erdogan in Athen ausdrücklich. Die internationale Seerechtskonvention, auf die sich Athen dabei berufen könnte, erkennt die Türkei nicht an.

Auch in der Zypernfrage bewegt sich nichts. Erdogan schlug erneut eine Konferenz Griechenlands und der Türkei mit den Führern der beiden zyprischen Volksgruppen sowie Vertretern der UN und der Europäischen Union vor. So könne es gelingen, den Konflikt bis zum Jahresende zu lösen, meint Erdogan. Aber bisher sind weder die Athener Regierung noch die griechischen Zyprer auf diesen Vorschlag eingegangen. Diametrale Gegensätze gibt es auch bei der Auslegung der Hoheitsrechte beider Länder im Luftraum über der Ägäis. Zweieinhalb Stunden vor Erdogans Ankunft tauchten am Freitagmorgen sechs türkische Kampfflugzeuge unangemeldet im Luftraum über Athen auf und durchflogen bei den Inseln Limnos und Lesbos den griechischen Luftraum.

Immerhin könnten die anlässlich des Erdogan-Besuchs vereinbarten intensiveren politischen Kontakte helfen, dass solche Zwischenfälle nicht zu einer Krise eskalieren, wie sie beide Länder 1996 wegen des Konflikts um zwei unbewohnte Ägäisinseln an den Rand eines Krieges brachte: Die Regierungschefs beider Länder sollen sich künftig einmal im Jahr, die Außenminister sogar alle sechs Monate treffen. Auch der neu geschaffene „Höchste Kooperationsrat“, der mit 17 Fachministern aus beiden Ländern eine Art gemischtes Kabinett darstellt, soll regelmäßig zusammentreten.

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