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Köpfe auf den Beinen: Die Parteichefs Roth und Özdemir (links), Spitzenkandidatin Göring-Eckardt und -kandidat Trittin, dazwischen Geschäftsführerin Lemke. Foto: Sören Stache/dpa

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Politik: Erhalten, was erhält

Nach der Wahl stellen sich die Grünen neu auf – wie weit das gehen soll, ist umstritten.

Berlin - Sie gehört zu denen, die bei den Grünen Platz gemacht haben für die Jüngeren. Doch das reicht nicht aus, findet Renate Künast. „Das Problem ist nicht einfach mit einem Generationswechsel getan“, sagt die noch amtierende Chefin der Bundestagsfraktion, die Anfang der Woche ihren Rückzug erklärt hat. Für ihre Partei gehe es nun darum, sich auf ihre Kernkompetenzen zu besinnen, mahnt die 57-Jährige, als sie zu den Beratungen der Grünen-Führung am Freitag eintrifft. „Erhalten, was uns erhält“, definiert sie diese ganz grundsätzlich. Außerdem müssten die Grünen die Pädophilie-Vorwürfe aufarbeiten.

Die Führungsgremien der Bundespartei sind an diesem Vormittag mit den Landesvorsitzenden zusammengekommen, um zu beraten, wie es nach dem enttäuschenden Wahlergebnis weitergehen soll. Die Skepsis über ein Bündnis mit der Union ist dabei groß, wie Teilnehmer berichten. Zu Sondierungsgesprächen mit CDU und CSU seien die Grünen bereit, macht Parteichef Cem Özdemir deutlich. „Die Gespräche werden ernsthaft geführt“, verspricht er. Als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung der Grünen nennt er, dass die Politik sich klar am Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren müsse. „Wir können nicht eine Politik machen, die die CO2-Emissionen hochtreibt“, sagte er mit Blick auf den Klimawandel.

Der scheidende Fraktionschef Jürgen Trittin signalisiert ebenfalls Offenheit– in alle Richtungen: „Selbstverständlich sind wir bereit, mit allen demokratischen Parteien, mit der SPD, mit der Linkspartei, mit der CDU, zu reden.“ Die Chancen für ein tragfähiges Ergebnis seien aber sehr gering.

Sollte es zu Koalitionsverhandlungen mit der Union kommen, wollen die Grünen ihre Verhandlungsgruppe neu besetzen, sagte Parteichefin Claudia Roth. Diese soll aus den neuen Fraktionschefs, den Parteivorsitzenden, aus Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und NRW-Vizeregierungschefin Sylvia Löhrmann bestehen. Die vorausgehenden Sondierungen hingegen sollen neben Özdemir und Roth auch die beiden Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt führen. Trittin und Roth hatten am Dienstag ebenso wie Künast den Rückzug aus ihren bisherigen Führungsämtern angekündigt.

Die Grünen wollen schnell Klarheit über ihre künftige Führung schaffen. Bereits am 19. und 20. Oktober soll auf einem Parteitag in Berlin die Parteispitze neu gewählt werden. Ursprünglich hatte es Überlegungen gegeben, die Wahlen erst im November stattfinden zu lassen.

Als Reaktion auf das enttäuschende Wahlergebnis hatten die beiden Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir am Montag angekündigt, die gesamte Führungsriege werde ihre Ämter zur Verfügung stellen. Neu gewählt werden müssen nicht nur der sechsköpfige Bundesvorstand, sondern auch der 16-köpfige Parteirat. Als Parteichef will erneut Özdemir antreten. Als Nachfolgerin für Roth will die ehemalige saarländische Umweltministerin Simone Peter kandidieren. Sie könnte Konkurrenz bekommen durch Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, die sich eine Kandidatur offen hält.

Als Reaktion auf die Wahlniederlage wollen die Grünen außerdem ihre Führungsgremien umstrukturieren. Dazu soll auf dem Parteitag im Oktober eine Reformkommission eingesetzt werden. Ziel ist eine bessere Einbindung der grünen Regierungsvertreter auf Landesebene. Özdemir schlug der Partei seinen Vorgänger Reinhard Bütikofer und die scheidende Parteichefin Roth als Vorsitzende vor, wie er sagte.

In der Bundestagsfraktion soll die neue Führung am 8. Oktober gewählt werden. Während sich für die Trittin-Nachfolge bislang nur der bayerische Bundestagsabgeordnete Toni Hofreiter vom linken Flügel beworben hat, läuft es bei dem für die Realos reservierten Posten auf eine Kampfkandidatur hinaus. Die bisherige Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt machte am Freitag erneut deutlich, dass sie Fraktionschefin werden will. Ihr werden allerdings von einem Teil der Realos Fehler im Wahlkampf angekreidet. Ihre Gegenkandidatin ist die Wirtschaftspolitikerin Kerstin Andreae.

Der bayerische Landeschef Dieter Janecek forderte nach der Wahlniederlage eine klare Fehleranalyse. So seien die Steuerforderungen zwar weitgehend richtig gewesen, aber es müsse überlegt werden, „ob wir den Mittelstand nicht mehr hätten ausnehmen müssen“. Der Bundestagsabgeordnete Markus Kurth vom linken Parteiflügel glaubt jedoch nicht, dass die Steuerpläne die Wähler verschreckt hätten. „Diese Analyse ist verkürzt. Dann hätten wir schon früher in den Umfragen abstürzen müssen“, sagt Kurth mit Blick auf den Parteitag Ende April, auf dem das Wahlprogramm beschlossen wurde. Die Forderung nach einem Veggie Day sei der „Katalysator“ gewesen, um den Grünen „den Topos der Verbotspartei“ anheften zu können, sagte Kurth dem Tagesspiegel. „Nachdem dieser Pappkamerad erst einmal stand, war es schwierig, dagegen zu argumentieren.“ mit dpa

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