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Erlebnisbericht: Der nächste Gipfel kann kommen

Nusa Dua - Zwei Wochen Klimakonferenz. Wo anfangen?

Nusa Dua - Zwei Wochen Klimakonferenz. Wo anfangen? Mit Herrn Bougonou Kouassivi Djeri-Alassani. „Die Klimaanlage ist zu schwach“, beschwerte sich der Delegierte aus Togo. Ich dachte, seine Leute in Westafrika verdursten gerade wegen Wüstenbildung, weil unsere Klimaanlagen brüllen. Ein WWF-Mann forderte eine Treibhausgas-Steuer auf Rindfleisch. Rinder rülpsen Methan. Kängurus, meinte jemand anders, bleiben methanfrei, Gentransfer wäre eine Lösung. Nicht nötig, es gibt gar keinen Klimawandel, findet jedenfalls ein „Komitee für ein konstruktives Morgen“ (CFACT). Die Klima-Leugner, denen keiner mehr zuhört, lockten in Bali verzweifelt mit Massagen und Freibier. Und sie legten noch einen drauf: „Garantiert keine Reden“.

Eigentlich muss man über die vielen schönen Frauen aus aller Welt schreiben. Doch wer kann sie taktvoll beschreiben? Ich nicht. Schade. Denn vor allem über sie zu schreiben, wäre angesichts des ernsten Konferenzthemas politisch unkorrekt und ich möchte schon lange mal etwas Unkorrektes schreiben. Aber ich traue mich nicht. Ein zarter Anfang: Ade, die coole PR-Grazie in dem indonesischen Pavillon, wo man am besten Kaffee schnorren kann, die wollte „liebend gerne“ ein Bier trinken gehen. Sagte sie. Und kam nicht. Konnte nicht, wollte nicht, hat mich nicht gefunden – was weiß ich. Wenigstens hab ich Tags darauf ein englisches Wort von ihr gelernt, das irgendwo zwischen höflich und ehrlich liegen kann: „Raincheck?“, fragte Ade per SMS. Was das bedeutet, hab ich per Google gelernt. Und das müssen Sie auch, falls Sie es nicht verstehen. Ich hab nämlich gerade zwei Wochen lang Sachen erklärt, die ich selbst bis vor kurzem nicht verstanden hatte, und jetzt habe ich keine Lust mehr.

Ich bin überfallen worden. Von einem Thema. Ein Südostasien-Korrespondent mit acht Berichtsjahren auf dem Buckel hat ein gewisses Kompetenz-Selbstvertrauen. Was Südostasien angeht: Ich weiß ganz viel und die in Deutschland wenig. Klimawandel: Die in Deutschland wissen ganz viel und ich nichts. In den 90ern, noch in Köln, klar, da wanderten Altpapier und Bierflaschen in Tonnen. Aber die CO2-Geschichte hatte ich noch nicht auf der Kappe. Nach Umzug gen Indonesien las man ab und an was. Doch letztlich brauchte ich Herrn Gore, seinen Film und, ja, Frau Merkel. Dann überfiel mich das Thema Klimawandel hier in Südostasien. Erst wurde in Thailand ein IPCC-Bericht vorgestellt und dann kam diese Konferenz zu mir nach Indonesien.

Ich hasse Konferenzen. Deshalb fahre ich, wenn es sich vermeiden lässt, nicht hin. Man ist mit Hunderten von Kollegen wie Dackel unterwegs und hofft, dass jemand Infohäppchen zu Futtern gibt. Am Ende schreiben wir alle mehr oder weniger das Gleiche. Erwartet wird natürlich, dass ich mehr, anders und besser berichte. Und so fang ich an, Gesichtsausdrücke, Anzugfarben und Schrittgeschwindigkeiten von Konferenzteilnehmern zu beschreiben. Oder die Teppichfarbe im Plenarsaal. In Bali schien alles noch viel schlimmer zu kommen. Das Pressezentrum ist ein Zelt, man darf nicht rauchen, und es gibt nichts zu Essen außer Stullen für zehn Dollar. Strand und Golfplatz in der Nähe machen den Ort nur noch qualvoller. Castrop-Rauxel ist geeigneter. Wer da tagt, verpasst nichts.

Andererseits gab es viel Positives. In Wahrheit waren es ja zwei schöne Wochen. Ich habe während der Zeit mit einer Ausnahme nur nette und interessante Leute kennengelernt. Eigentlich ist das nicht überraschend, schließlich ist ein Klimagipfel keine Waffen- oder Pornomesse, wo, ich war auf beiden schon, dunkle Gestalten rumlaufen. Klimaretter sind gebildet, sie setzen sich für gute Sachen ein, ohne ständig zu häkeln. Wissenschaftliche Ökos sozusagen. Sympathisch. Ich hatte den Eindruck, dass hier weniger gelogen wird als bei Politgipfeln, Waffen- und Pornomessen. Zum Beispiel die Klimamuffel aus den USA: Die sagen, was sie nicht wollen und bleiben dabei. Das ist ehrlich.

Vor allem war gut an dem Gipfel, dass er so lehrreich war. Und dass ich, so scheint es, keinen Mist gebaut habe. Unfallfrei durchzukommen, war mein Ziel. Ähnlich ungebildete Kollegen fanden das ambitioniert. Und nun hat mich in Deutschland ein Redakteur gelobt, der es wissen muss. Prima. So gilt nun der alte Journalisten-Grundsatz: Einmal gepinkelt, schon Urologe. Soll heißen: Ich bin Klima-Experte. Der nächste Gipfel kann kommen. Moritz Kleine-Brockhoff

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