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Politik: Ermächtigungsgesetze für Venezuela

Präsident Chavez betreibt Umbildung des Landes in eine sozialistische Republik / Kritiker sieht ein autoritäres Regime „light“

Sozialistische Einheitspartei, Ermächtigungsgesetze, Verstaatlichungen, ein Maulkorb für oppositionelle Medien – so sieht der Sozialismus des 21. Jahrhunderts aus, mit dessen Einführung Venezuelas Präsident Hugo Chavez begonnen hat. Vieles davon hatte der ehemalige Putschist, der am Mittwoch für eine dritte Amtsperiode vereidigt wird, bereits während des Wahlkampfs verkündet. Doch die Geschwindigkeit und Bestimmtheit, mit der er die Umbildung des Staates jetzt in Angriff nahm, überraschte Anhänger wie Gegner gleichermaßen.

Traditionell herrscht in Venezuela zwischen Weihnachten und Mitte Januar politische Funkstille. Doch der Stratege Chavez wollte offenbar keine Sekunde verlieren und die Legitimität nutzen, die ihm sein Wahlsieg vom Dezember (63 Prozent) verleiht. Zudem verfügt er dank des Erdölbooms über volle Staatskassen, die ihm sein Vorhaben erleichtern. Venezuela ist der fünftgrößte Erdölexporteur.

Auf kaum Widerstand stieß die jetzt vorangetriebene Bildung einer sozialistischen Einheitspartei, die die bunte Parteienplattform ablöst, die bislang Chavez bolivarische Revolution unterstützte. „Der Kommandant befiehlt, wir führen aus“, kommentierte die Aktivistin Lina Ron die Selbstauflösung ihrer Partei. Die Einheitspartei verschmilzt damit mit dem Parlament, das komplett in der Hand der Chavistas ist, weil die Opposition vor einem Jahr die Parlamentswahlen boykottierte. Debattieren sei nicht mehr nötig, meinte Francisco Ameliach, Chavez’ Wahlkampfmanager, vorige Woche, als das Parlament seine Arbeit aufnahm: „Wozu brauchen wir 20 Redner nacheinander, wenn die alle dasselbe sagen?“ Die Selbstentmachtung des Parlaments dürfte in den Ermächtigungsgesetzen gipfeln, die sich Chavez von den Abgeordneten absegnen lassen will, um seine sozialistische Verfassungsreform voranzutreiben, etwa die unbegrenzte Wiederwahl des Staatschefs.

Am Montag vereidigte Chavez sein neues Kabinett, dem vor allem junge Nachwuchspolitiker ohne eigenes Profil und absolut loyale Chavistas wie sein Bruder Adan als Bildungsminister angehören. Politische Schwergewichte wie Vizepräsident Jose Vicente Rangel verließen die Regierung. Rangel wurde ersetzt durch Jorge Rodriguez, der zuvor Präsident des Wahlgerichtes war. Auf Chavez Verständnis von Gewaltenteilung und Unabhängigkeit der Institutionen wirft die Ernennung ein ebenso schales Licht wie seine Ankündigung, der Zentralbank ihre formale Autonomie abzuerkennen. Sie sei in Wahrheit nie autonom, sondern stets von Washington abhängig gewesen, erklärte er und wies sie an, sieben der 37 Milliarden Dollar Devisenreserven in den Sozialprojekte-Fonds einzuzahlen.

Für die Privatwirtschaft wird der Spielraum noch enger: der Strom- und Telekomsektor sollen Chavez zufolge wieder verstaatlicht, die privaten ausländischen Erdölkonzerne aus dem Raffineriegeschäft gedrängt werden, und der oppositionelle Sender RCTV soll seine auslaufende Sendelizenz verlieren. Chavez will nach eigenen Angaben die Frequenz einem regierungsnahen Sender „im Dienste des Volkes“ zuteilen. In einem Jahr würden laut Chavez dann die Grundfesten der neuen, bolivarischen und sozialistischen Republik Venezuela gelegt sein.

Die Maßnahmen stießen national und international auf Kritik. Venezuela marschiere in Richtung eines autoritären Regimes „light“, in der eine Person alle Macht auf sich konzentriere, schrieb der Publizist Teodoro Petkoff, ein früherer Guerillero und kurzzeitiger Chavez-Sympathisant. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Jose Miguel Insulza, forderte Chavez auf, seine Entscheidung hinsichtlich RCTV nochmals zu überdenken, denn sie widerspräche den demokratischen Grundsätzen von Meinungsfreiheit und Pluralismus und schaffe einen gefährlichen Präzedenzfall. Chavez bezeichnete Insulza – dessen Kandidatur er 2005 aktiv unterstützt hatte – daraufhin als „Idioten“ und forderte ihn zum Rücktritt auf.

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