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Politik: Erst Aufschwung – dann Gerechtigkeit

Die SPD kann mit Beschlüssen der Grünen zur Vermögenssteuer leben

Von Antje Sirleschtov

Die Entscheidung des Parteitages der Grünen in Dresden über eine neue „Millionärssteuer“ hat auch bei interessierten Kreisen des großen Koalitionspartners SPD zu einem erneuten Nachdenken über die Gerechtigkeit bei der Finanzierung des Sozialstaates geführt. Nach dem Beschluss des Bochumer SPD-Parteitages vor zwei Wochen, große Vermögen nur im Erbfall stärker zur Besteuerung heranzuziehen, sieht der SPD-Fraktionsvize und Parteilinke Michael Müller nun für die Regierung eine „breite Legitimation der Koalitionsparteien“, für eine gerechtere Lastenverteilung innerhalb der Gesellschaft zu sorgen. Dass die SPD der Vermögenssteuer im Gegensatz zu den Grünen den Rücken zugewandt hatte, ist für Müller dabei kein Zeichen der Uneinigkeit innerhalb des Rot-grünen Bündnisses. „Erbschafts- und Vermögenssteuer gehören zusammen“, sagte er dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Beide Parteitage hätten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nun einen „klaren Auftrag“ gegeben, „in der nächsten wirtschaftlichen Wachstumsphase“ dafür zu sorgen, dass Reiche höher belastet werden. „Jetzt geht es erst einmal um Aufschwung“, sagte Müller, „später diskutieren wir über Gerechtigkeit und weiteren Strukturwandel“.

Schon im nächsten Jahr werden sich Regierung und Koalition mit diesem Thema erneut beschäftigen müssen. Denn dann steht eine Neufassung der gesetzlichen Erbschaftssteuer an, die das Bundesverfassungsgericht aller Voraussicht nach als grundgesetzwidrig einstufen wird, weil die bisherige Regelung zu Ungerechtigkeiten bei der Bewertung von Immobilien und Kapitalbesitz führt. Inwieweit es bei dieser Neuregelung allerdings zu spürbar höheren Belastungen kommen wird, ist noch unklar. Denn die Botschaften, in Deutschland würde Vermögenssubstanz besteuert und Betriebe vom Fiskus in die Pleite getrieben, fürchten Finanz- und Wirtschaftspolitiker beider Koalitionsparteien. Gerade deshalb hatten diese Kreise der Grünen im Vorfeld des Parteitages in Dresden mit großer Zurückhaltung auf den Vorschlag ihres Parteilinken, Hans-Christian Ströbele, reagiert, eine „Mindeststeuer“ auf Vermögen einzuführen. Und aus diesem Grund beschloss der Parteitag auch, Betriebsvermögen nur dann besteuern zu wollen, wenn nicht in die Substanz der Unternehmen eingegriffen wird. Abgelehnt wurde auch der Antrag von Ströbele zu einer konkreten Ausgestaltung der Steuer, nach dem auf Betriebsvermögen ab einem Freibetrag von einer Million Euro auf jeden Fall Mindestabgaben zu leisten sind.

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