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Merkel und Steinbrück am Donnerstag im Bundestag.

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Erster Schlagabtausch zwischen Kanzlerin und Kandidat: Steinbrück: Merkel "surft auf der Woge des Ressentiments"

Kanzlerin gegen Kandidat: Angela Merkel hat in einer Regierungserklärung einen neuen Solidaritäts-Fonds vorgeschlagen, sich bei der Reform der Bankenaufsicht aber zurückhaltend gezeigt. Danach war Peer Steinbrück dran - und punktete im ersten direkten Schlagabtausch. Lesen Sie die Ereignisse im Ticker nach.

Ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl sind sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Peer Steinbrück in einem ersten Rededuell begegnet. Unmittelbar vor dem EU-Gipfel in Brüssel legte Merkel ihre Position zur Euro-Krise in einer Regierungserklärung im Bundestag dar, danach redete Peer Steinbrück.

Die Ereignisse im Live-Ticker zum Nachlesen:

10:09: Auf wichtige Fragen habe er von Merkel heute keine Antworten bekommen, sagt Steinbrück, etwa darauf, wer eigentlich die Wirksamkeit all der europäischen Maßnahmenpakete überwache. Die Antworten aber werde die Kanzlerin liefern müssen, wenn sie weiter die Zustimmung der SPD für europäische Rettungsmaßnahmen wolle. Dann schlägt auch Steinbrück noch einmal den historischen Bogen: Nur mit den Kriegen des 20. Jahrhunderts lasse sich Europa heute nicht mehr begründen, denn die junge Generation verstünde dies nicht mehr. Stattdessen begründet Steinbrück Europa als Projekt, das die Zukunft des Kontinents sichere. Merkel werde dem nicht gerecht, schließt Steinbrück.

Der Kandidat hat die Kanzlerin in seiner Erwiderung pointiert attackiert und ihr unzureichende Antworten auf die Euro-Schuldenkrise vorgehalten. "Aus einer einseitigen Krisenanalyse folgt eine einseitige Therapie: Sparen, sparen, sparen", sagte Steinbrück. Nötig sei aber ein echter Wachstums- und Beschäftigungspakt für Europa. Denn in Krisenländern gelte: "Not zerstört Demokratie." Erforderlich sei außerdem eine wirksame Banken- und Finanzmarktregulierung. Zur geplanten Bankenunion müsse ein Fonds zur Rekapitalisierung von Instituten gehören. Dieser solle aber nicht von den Steuerzahlern, sondern von den Banken selbst gespeist werden.

10:01: Es ist ein souveräner Auftritt Steinbrücks. Er attackiert die Kanzlerin, ohne das Maß zu verlieren, er hat ein paar hübsche Sprachbilder ins Skript geschrieben oder schreiben lassen, die im Gedächtnis bleiben könnten. Eine surfende Kanzlerin, das Bild bleibt im Kopf. Das Original sitzt unterdessen mit regungsloser Miene auf der Regierungsbank. Steinbrück wirft der Kanzlerin ebenfalls erneut vor, nicht ehrlich zu den Bürgern zu sein. Sie solle den Menschen sagen, dass Griechenland weitere Hilfe benötige. Wenn der erste Stein aus dem europäischen Haus gebrochen sei, würden weitere folgen.

9:53: Nun geht Steinbrück die Kanzlerin weniger zimperlich an. Ihre Koalition habe im vergangenen Jahr "Mobbing" gegen Griechenland betrieben, und die Kanzlerin habe die Griechenland-Kritiker, von Dobrindt bis Rösler, gewähren lassen. Helmut Kohl hätte es nicht zugelassen, einen europäischen Nachbarn so zu missbrauchen, sagt Steinbrück unter kräftigem Applaus aus dem eigenen Lager. Es sei ein "Doppelspiel", mit dem die Kanzlerin einerseits auf der Stimmungswoge des Ressentiments surfen, andererseits aber nicht in diese eintauchen wolle. Die Kanzlerin sei mittlerweile eine Getriebene, die immer wieder ihren Kurs ändern müsse, wenn der Druck auf dem Kessel der Realitäten zu groß werde. Dann verdeutlicht Steinbrück seine Kritik an der Zögerlichkeit der Kanzlerin: Vieles, was die nun plane, habe seine Fraktion schon vor zwei Jahren vorgeschlagen.

9:45: Das war's von Merkel. Bemerkenswert: Ihr Vorschlag für einen neuen "Solidaritäts-Fonds" - und der insgesamt frische Eindruck, den die Kanzlerin hinterlassen hat, die eigentlich schon sichtbar eine gewisse Routine entwickelt hatte, wenn es um Regierungserklärungen vor Euro-Gipfeln ging. Heute aber schien sie, mehr als sonst, alert - vielleicht hat die Tatsache, dass gleich Peer Steinbrück zur Erwiderung ansetzt, dazu beigetragen. Nun wird es spannend: Steinbrück tritt ans Rednerpult. Zu Beginn bekräftigt auch der SPD-Kanzlerkandidat seine Freude über den Friedensnobelpreis für die EU. Dieser erinnere daran, dass Europa mehr sei als ein "Wechselbalg der Ratingagenturen". Steinbrück gibt den Bildungsbürger: Er zitiert den Historiker Heinrich August Winkler, den Philosophen André Glucksmann. Dann kommt sein erster Angriff in Richtung der Kanzlerin: Europa hätte sie schon vor zwei Jahren so beschreiben und würdigen müssen, wie sie es heute getan habe. Das darf wohl als verhältnismäßig milde Attacke gelten, zumindest fährt Steinbrück keinen Frontalangriff mit Blick darauf, dass Merkel einst mehr als zögerlich ins Projekt Euro-Rettung startete.

9:39: In der Krise gehe es am Ende darum, ob Europa seine Art zu leben erhalten könne. Europa als Friedensprojekt, der Friedensnobelpreis, die junge Generation, die zum Glück noch nie einen Krieg miterleben musste: Nun schlägt Merkel noch einmal den ganz großen Bogen.

9:34: Nun kommt noch einmal ein grundsätzliches Bekenntnis: "Wir brauchen mehr, nicht weniger Europa", sagt Merkel, und dazu gehöre sowohl eine Stärkung der europäischen Institutionen als auch eine stärkere demokratische Legitimation. Das Bekenntnis, dass die nationalen Parlamente Mitspracherechte brauchen, geht Merkel flüssig über die Lippen - wie das ganz genau auszusehen hat, erklärt sie aber nicht.

Wo soll es hingehen mit der europäischen Bankenaufsicht?

9:28: Die dritte Säule, auf die Merkel nun zu sprechen kommt: Mehr gemeinsame Wirtschaftspolitik. Eine stärkere Koordinierung werde vor allem dort notwendig sein, wo Kernbereiche nationaler Souveränität berührt seien, zum Beispiel in der Arbeitsmarktpolitik. Das dürfe aber nicht heißen, nun alle Politikbereiche zu vergemeinschaften, also auf europäischer Ebene zu regeln. Stattdessen brauche man einen sinnvollen Ausgleich zwischen nationalem Selbstbestimmungsrecht und Eingriffsrechten der europäischen Ebene. Merkels Vorschlag: Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich gegenüber der EU zu konkreten Maßnahmen, denen die nationalen Parlamente zustimmen müssen. Dann schlägt Merkel ein "neues Element der Solidarität" vor: einen Fonds zur Unterstützung von Reformen, aus dem zeitlich befristet und projektbezogen Gelder in Anspruch genommen werden können. Gespeist werden könne der Fonds beispielsweise aus den Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer.

Kanzlerin Angela Merkel
Kanzlerin Angela Merkel

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9:26: Merkel spricht über Säulen der künftigen gemeinsamen europäischen Politik zur Bewältigung der Krise. Zu Punkt eins, der Frage, wo es mit einer Bankenaufsicht hingehen soll, äußert sich die Kanzlerin eher zurückhaltend: Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, nur, wenn am Ende tatsächlich eine Verbesserung stünde, lohne sich überhaupt der Aufwand. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll die Europäische Zentralbank bereits ab dem kommenden Jahr schrittweise die Bankenaufsicht übernehmen. In der Bundesregierung gilt dieser Zeitplan als unrealistisch. Dann kommt Merkel auf Säule zwei, die gemeinsame Fiskalpolitik, zu sprechen - und stellt sich hinter die Vorschläge Wolfgang Schäubles. Deutlich kritisiert sie jene, die Skepsis gegenüber Schäubles Ideen angemeldet haben. Wenn immer gleich das Geschrei losgehe, sei Europa nicht zu reformieren. Deutschland sei dafür, der EU-Kommission bei Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin "echte Durchgriffsrechte gegenüber den nationalen Haushalten zu gewähren", sagt Merkel. Die Autorität dafür läge dann beim Währungskommissar. Merkel sagt, ihr sei bewusst, dass es in vielen anderen Mitgliedsstaaten dazu noch keine Bereitschaft gebe. "Das ändert nichts daran, dass wir uns dafür stark machen werden." Zur Kritik an Schäubles Vorschlag für eine Aufwertung des Währungskommissars sagte die Kanzlerin: "So bauen wir ein glaubwürdiges Europa nicht, wenn wir alles sofort vom Tisch wischen."

9:21: Wo soll es hingehen mit der europäischen Bankenaufsicht?

9:17: Merkel lobt Merkel: Dem Vorangehen Deutschlands sei es zu verdanken, dass Europa nun dauerhafte Krisenbewältigungsmechanismen habe, die sich noch vor zwei Jahren niemand habe vorstellen können.

9:12: Merkel bekräftigt, man müsse den Troikabericht abwarten, bevor über die nächste Tranchen der Griechenlandhilfe entschieden werde - und zwar nirgends anders als im Deutschen Bundestag. Das freilich dürften einige Abgeordnete anders sehen, bei denen in den vergangenen Monaten und Jahren der Eindruck entstanden ist, dass sie gar keine andere Wahl haben, als der Euro-Rettungspolitik zuzustimmen, die die Kanzlerin in Brüssel aushandelt.

9:08: Es sind klare Worte, die Merkel in Richtung Griechenland aussendet: Die Reformen liefen "oft nur im Schneckentempo" ab, Korruption sei noch immer weit verbreitet, die Verwaltung arbeite "an vielen Stellen unzureichend". Merkel sagt aber auch, sie könne den Unmut vieler Griechen über die Situation in ihrem Heimatland verstehen, gerade weil sich wohlhabende Mitbürger der Krisenbewältigung entzögen. Dann bekräftigt sie ihren Wunsch, Griechenland möge in der Eurozone bleiben.

9:03: Merkel beginnt ihre Regierungserklärung mit Worten zum Friedensnobelpreis für die EU - den sie gerade deshalb für besonders wertvoll hält, weil er nicht in einem Moment des Triumphes, sondern während der Krise verliehen wurde. (mit dpa, Reuters)

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