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Politik: Erzbischof wird Vize im Vatikan

Bertone löst Staatssekretär Sodano ab

Nach 14 Monaten im Amt hat Papst Benedikt XVI. seine bisher wichtigste Personalentscheidung vorgenommen: Der Genueser Erzbischof Tarcisio Bertone wird zweiter Mann im Vatikan. Er löst Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano ab, wie am Donnerstag in Rom bestätigt wurde.

Einen Sinn für Humor, für Zeichen und für Zeiten, den hat Benedikt XVI. durchaus. Die Umbesetzung an der Spitze der Vatikan-Diplomatie wird zwar erst am 15. September wirksam, wurde aber genau jetzt, mitten in der Fußball-WM verkündet. Das kommt nicht von ungefähr: Kardinal Tarcisio Bertone hat sich im fußballverrückten Italien als professioneller Fernsehkommentator von Begegnungen der Spitzenliga bekannt gemacht, und das nicht etwa in einer weit zurückliegenden Jugend, sondern noch nach 2003, als er bereits Erzbischof von Genua war. Außerdem schreibt er Fußballanalysen in den italienischen Sport-Tageszeitungen, und als Joseph Ratzinger Papst wurde, da rühmte ihn Bertone als den „Beckenbauer der Kirche – einen zurückgezogenen Regisseur, der aber lange Pässe in die Tiefe schlagen kann.“

Der leutselige Bertone und der scheue Papst kennen einander bestens aus sieben Jahren enger Zusammenarbeit: Bertone, der Kirchenrechtsprofessor aus dem Salesianerorden, war von 1995 bis 2002 Sekretär der Glaubenskongregation. Und es passierte im Gelehrtenleben Joseph Ratzingers nicht allzu häufig, dass er enge Mitarbeiter über längere Zeit in seiner Nähe ertrug oder sie gar – wie in diesem Falle – später zurückholte.

Nun also, nachdem er die „Glaubensabteilung“ der katholischen Kirche in allen ihren Feinheiten kennen gelernt hat, wird Bertone Chef der „politischen Abteilung“ des Vatikan. Geziert hat er sich nicht. Er kokettierte lediglich damit, dass er kaum in der Welt herumgekommen sei und „wenig von Diplomatie verstehe“. Bisher ist Bertone für seine recht direkte Ausdrucksweise bekannt. „Reinen Tisch machen!“ verlangte er ohne Umschweife im aktuellen italienischen Fußballskandal. Und bei einer Tagung, bei der er die kirchenoffizielle Ablehnung des Klonens vertrat, scherzte er: „Bei Sophia Loren könnte man eine Ausnahme machen.“

Der 71-jährige Bertone löst Angelo Sodano ab, der mehr als 15 Jahre lang führender Politiker des Vatikan war. Im Jahr 2002 hatte Sodano zwar die kirchenrechtliche Pensionsgrenze von 75 Jahren überschritten, aber der damalige Papst Johannes Paul II. wollte in seinen letzten Krankheitsjahren keine Umbesetzung mehr vornehmen. Auch Nachfolger Benedikt XVI. hatte Sodano gebeten, im Amt zu bleiben. Mit der Umbesetzung des Staatssekretariats schließt Benedikt XVI. eine gewissermaßen fragend-unsichere Übergangszeit ab und leitet die überfällige Neupositionierung des Vatikan in der Weltpolitik ein. Dies umso mehr, als auch der bisherige Außenminister des Papstes, Giovanni Lajolo (71), seinen Posten abgibt. Bei der Besetzung dieser Stelle wird Tarcisio Bertones Handschrift dann schon erkennbar sein. Paul Kreiner

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