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Politik: Es geht weniger um ein simples Erfolgshonorar, sondern um die Frage, was gute Medizin ist

Es klingt scheinbar einfach: bezahlt die Ärzte doch nach ihrer Leistung. Der Automechaniker wird schließlich auch erst dann sein Geld bekommen, wenn der Motor wieder ganz ist.

Es klingt scheinbar einfach: bezahlt die Ärzte doch nach ihrer Leistung. Der Automechaniker wird schließlich auch erst dann sein Geld bekommen, wenn der Motor wieder ganz ist. Also soll der Arzt, wie der Handwerker, sein Honorar einstreichen, sobald der Körper "repariert" ist. Mit dieser - hier grob vereinfachten - Argumentation für erfolgsorientierte Arzthonorare hat Herbert Rebscher, Vorsitzender des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen, eine heftige und anhaltende Debatte ausgelöst.

"Ein Schlag ins Gesicht der Patienten" nannte der ehemalige Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) den Rebscher-Plan, "unvernünftig", "gefährlich", "absurd", "völlig falsch", "unmenschlich" - so der Tenor der Ärztevertreter. Genüsslich wurde das alte China herbeizitiert: wenn der Patient nicht gesundet, wird der Arzt geköpft. Und schließlich schien die Idee des Kassenfunktionärs den Ärzten auch noch zu unterstellen, sie würden nicht alles für das Wohl ihrer Patienten tun und diese stattdessen möglichst lange in krankem Zustand "konservieren".

Inzwischen hat sich der Pulverdampf ein wenig verzogen, und auch Rebscher will alles nicht so gemeint haben. Nun wird der eigentliche Kern der Diskussion offenbar. Es geht gar nicht um ein kaum praktikables simples Erfolgshonorar, sondern um die so einfache wie schwer zu beantwortende Frage, was gute Medizin ist, wie man sie fördern und entsprechend honorieren kann. In der Medizin wird schon lange darüber debattiert, wie die "Qualitätssicherung" in Krankenhäusern und Praxen denn in die Tat umgesetzt werden kann. Ärztetage und Gesundheitsreformen haben sich immer wieder auf die Fahnen geschrieben, die Medizin besser zu machen.

Den Maßstab für gute Medizin liefert die Wissenschaft. In wichtigen Fachzeitschriften veröffentlichte Studien über den Erfolg verschiedener Behandlungsverfahren sind der Kompass zeitgemäßer Medizin. In Fortbildungsveranstaltungen oder durch Zeitschriften kann sich auch der Arzt, dessen Hochschulstudium Jahrzehnte zurückliegt, auf dem Laufenden halten.

Aber der Weg von der wissenschaftlichen Theorie in die alltägliche Praxis ist weit. Eine Möglichkeit, ihn zu erleichtern, sind "Leitlinien" für die Behandlung bestimmter Krankheiten. Gute Leitlinien sind wissenschaftlich solide begründet. Sie geben dem Arzt eine Richtschnur für häufige Krankheiten an die Hand. Allerdings können Mediziner nicht auf eine bestimmte Therapie verpflichtet werden. Zudem kann selbst eine sachgemäße Behandlung ("Prozessqualität") nicht immer jenen Erfolg erzwingen ("Ergebnisqualität"), den der Kassenfunktionär Rebscher besonders belohnen will. Auch eine richtige Therapie ist im wirklichen Leben keine Garantie für Gesundheit.

Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) - sie verteilt das Geld der Krankenkassen an die niedergelassenen Ärzte - steht man Rebschers Ideen zumindest prinzipiell positiv gegenüber. "Die Qualität liegt uns am Herzen", sagt der KBV-Vorsitzende Manfred Richter-Reichhelm. Der Berliner Urologe kann sich für bestimmte Behandlungserfolge durchaus einen finanziellen Bonus vorstellen. Zum Beispiel für weniger Krankenhauseinweisungen oder gute Blutdruck- und Blutzuckerwerte der Patienten.

Gegenüber dem Tagesspiegel hebt Richter-Reichhelm hervor, dass bereits 1997 der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen einen "Ergebnis-Bonus" empfohlen hatte. Allerdings nennt er auch Einschränkungen. Ein Bonus sei nur für bestimmte Krankheiten geeignet, statt eines Erfolgshonorars für einzelne Patienten komme nur eine Vergütung für eine Patientengruppe in Frage, und eine "Bestrafung" erfolgloser Medizin sei abzulehnen. Die Gebührenordnung der niedergelassenen Ärzte, EBM genannt, soll vom Jahr 2001 an jene Ärzte belohnen, die Qualitätsleitlinien einhalten.

Es tut sich etwas. Aber tut sich genug? "Manchmal wird in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, als werde nur Schund geboten", verteidigt Richter-Reichhelm seine Kollegen. Das größte Problem sieht er in der hier und dort "überschießenden Diagnostik" in den Arztpraxen. Auf gut Deutsch: bei der Suche nach Krankheiten werden zu viele unnütze Untersuchungen angestellt. Das kostet Geld und belastet den Patienten. In Berlin prüft man jetzt am Beispiel der Herzkatheter-Untersuchungen, ob diese aufwendige und teure Diagnostik - ein Schlauch wird bis in die Herzkranzgefäße vorgeschoben - tatsächlich immer begründet ist.

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