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Politik: „Es gibt keinen Wettbewerb über den Preis“

Chef der Marseille-Kliniken: Bürokratische Vorgaben verteuern die Pflege in Deutschland unnötig

Bei der Altenpflege steigt der Bedarf. Aber viele alte Menschen können die teurer werdenden Leistungen nicht mehr bezahlen.

Rund die Hälfte des Pflegesatzes wird durch die Pflegeversicherung gedeckt. Die andere Hälfte wäre normalerweise für einen Durchschnittsrentenbezieher bezahlbar. Allerdings haben wir das Problem, dass die Renten nicht steigen, die Betreiber aber steigende Kosten haben, für Energie etwa oder durch die Mehrwertsteuererhöhung. Die Pflegekassenbeiträge sind eingefroren, also geht alles zu Lasten der Sozialhilfe. Es stellt sich auch die Frage, ob Pflege so teuer sein muss, wie sie heute ist. Denn es gibt Möglichkeiten, das System effizienter zu gestalten.

Wie denn? Man hört doch nur, dass die Heime mehr Geld brauchen und dass Pflege immer menschenunwürdiger wird?

Die Pflegekassen schreiben den Heimen detailliert vor, wie viel Personal sie bei einer bestimmten Pflegestufenverteilung einsetzen müssen. Wenn die Pflege nicht ordentlich ist, hat das – unterstellt, dass Leute nicht schummeln – vor allem mit Management und Organisation zu tun. Aber Sie haben recht: Wenn man die Qualität halten will, kann man nicht mit viel weniger Personal auskommen. Aber es gibt andere Möglichkeiten. Bei vielen Trägern, insbesondere bei gemeinnützigen und öffentlichen, sind die Löhne weitgehend entkoppelt von den Marktpreisen anderer Branchen. Küchen- oder Reinigungspersonal etwa wird nach BAT bezahlt, sie bekommen im Pflegeheim deutlich mehr als etwa in Restaurants. Dafür gibt es keinen nachvollziehbaren Grund.

Gibt es noch andere Sparmöglichkeiten?

Wichtig wäre vor allem, die Bürokratie zu entschlacken. 20 Prozent der Heimkosten entfallen auf die Immobilie. Und aufwändige Vorgaben treiben die Baukosten nach oben. In NRW etwa dürfen die Betreiber nur Häuser mit maximal 88 Betten bauen, sonst gibt es keine Sozialhilfe. Die Größe ist betriebswirtschaftlich nicht optimal, aber wer wirtschaftlich plant, baut natürlich kein Haus, in das er nur Selbstzahler aufnehmen darf. Auch Verordnungen zu Flurbreiten, Unterkellerung, Brandschutzauflagen, Baustoffen, die verwendet werden müssen, erhöhen die Investitionskosten. Das alles führt zu deutlich höheren Kosten als etwa in Großbritannien oder den USA.

Die Föderalismusreform verlegt nun das Heimrecht in die Kompetenz der Länder. Macht das nicht alles noch komplizierter?

Wir haben es schon heute mit 16 Pflegekassen unterschiedlichster Auffassung zu tun. So gesehen ist das jetzt nur eine konsequente Fortsetzung. Aber im Ernst: Es ist für uns nicht nachzuvollziehen, warum alles unterschiedlich geregelt werden muss. Da tobt sich offenbar Reglementierungswut aus.

Was erhoffen Sie sich von der immer wieder verschobenen Pflegereform?

Nichts Besonderes. Die Einführung der Pflegeversicherung war ein guter Schritt. Aber die gesamten Pflegesatzvorgaben sind aus meiner Sicht überflüssig. Stattdessen müsste sich der Staat viel stärker auf die Qualitätssicherung konzentrieren.

Wie meinen Sie das?

Die medizinischen Dienste der Kassen und die Heimaufsicht arbeiten nicht zeitgemäß. Ansonsten bin ich Verfechter eines Maximalpflegesatzes. Damit würde es der Marktwirtschaft überlassen, die Preisfindung zu regeln. Das ist ein Riesenproblem: Es besteht kein Wettbewerb über den Preis. In Berlin eröffnen viele Pflegeeinrichtungen, die alle die gleichen Pflegesätze erhalten. Sie „sterben“ dann langsam, da sie ihre Häuser nicht voll belegen können. Üblicherweise würden als Folge die Preise reduziert. Das wäre auch im Sinne des Kunden. Nach jetziger Logik ist das komplett ausgeschlossen. Im Prinzip vernichtet das unsere Steuergelder.

Der Staat soll nur den schwarzen Schafen auf die Finger klopfen?

Genau, und zwar ohne politische Scheuklappe. Heute läuft die Begutachtung ja eher nach dem Prinzip: Die Privaten gucken wir uns ganz intensiv an, die gemeinnützigen und die öffentlichen ein bisschen weniger. Die machen ja nichts Böses, weil sie keinen Gewinn erzielen wollen. Eine Schlussfolgerung, die völlig unlogisch ist.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

Axel Hölzer (43) ist Vorstandschef und Finanzvorstand der Marseille-Kliniken. Deren Schwerpunkte sind Altenpflege und Reha. Derzeit betreibt die AG 53 Senioreneinrichtungen.

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