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Politik: Es grüßt die Tristesse

Von Antje Sirleschtov

Manchmal öffnet sich in diesen Zeiten des allgemeinen Reformdurcheinanders ein kleiner Spalt, und für einen Moment sieht man, wie weit es die Regierung, wie weit es das ganze Land gebracht hat. Heute ist so ein Augenblick. Hans Eichel wird das Programm der Regierung für das nächste Jahr vorlegen. Einen Bundeshaushalt, in den die ersten Ergebnisse der zurückliegenden Reformen schon hineingeschrieben sind und der zeigen soll, wohin das alles führen wird. Zahlen und Tabellen. Nichts, was angesichts der unsicheren Konjunktur Realität werden muss. Und doch ein rotgrünes Bekenntnis.

Kann diese Regierung das Land reformieren, wie sie es versprochen hat und wie ernst ist es ihr noch mit der Agenda 2010? Wachstumsfähig wolle er Deutschland machen, hatte der Kanzler im März 2003 angekündigt, zukunftsfähig und sozial gerecht solle es zugehen.

Wer von der Politik Ausgabenkontinuität erwartet, wird nicht enttäuscht. Entgegen allen Befürchtungen streicht der Finanzminister die Summe der Investitionen kaum zusammen. Straßen werden gebaut, den Ostdeutschen werden die Fördermittel im gewohnten Umfang ausgezahlt, die Länder bekommen die erwarteten Milliardenbeträge für den regionalen Verkehr – auch wenn Bahnkunden zuweilen das Gefühl nicht loswerden, für dieses Geld könnte es bessere Leistungen geben.

Der kollektive Aufschrei der Interessengruppen hat gewirkt: Wer den investierenden und subventionierenden Staat als treibende Wachstumskraft versteht, erkennt Hans Eichel an seiner Seite. Genau wie die anderen übrigens, die das Hohelied der Eigenverantwortung und Staatszurückhaltung singen. Auf die wartet die letzte Stufe der Steuersenkung, und ein paar Subventionen sinken ja auch – für behinderte Bahnfahrer und Dieseltraktoren in der Landwirtschaft. Zu wirtschaftlichem Aufbruch führt das alles nicht. Allenfalls zur Beruhigung: Diese Regierung würgt das zarte Konjunkturpflänzchen nicht ab. Richtig gespart wird erst, wenn es uns besser geht.

Innovation – mit diesem Schlagwort verspricht die Regierung den Marsch in die Zukunft moderner Industrien und Forschung. In Eichels Haushalt gibt es ein wenig mehr Geld für Bildung und Wissenschaft. Für Elite-Unis wird es reichen. Und für den schönen Schein. „Wir tun was“, steht darüber, aber leider war wieder mal nicht mehr drin. Man sieht ja, wie schwierig die Zeiten sind: Um den Haushalt formal verfassungskonform zu halten, muss Eichel auf dem Basar der Privatisierungen 15 Milliarden Euro eintreiben. Was waren das noch für Zeiten, als der gleiche Minister die UMTS-Milliarden zum Schuldenabbau anstatt zur Kassensanierung ausgab! Spar-Hans ist futsch. Und die Konsolidierung – definitiv passé!

Jetzt werden Schulden gemacht. 80 Milliarden Euro Neukredite plant Eichel mindestens, schön gleichmäßig bis 2008 verteilt. Wohl gemerkt: 2008. Da wollte der Mann ursprünglich längst ausgeglichene Haushalte haben. Und die Agenda 2010 verspricht, unseren Kindern nicht weiter die Sünden der Vergangenheit aufzubrummen. Der Bundeshaushalt, entstanden aus der Not sinkender Steuereinnahmen und ausbleibender Kompromisse zum Subventionsabbau, spricht eine andere Sprache: Die Staatsausgaben für Zinsen, Renten und Personal, also die Vergangenheitsausgaben, steigen weiter. Und immer weniger bleibt übrig für die Aufgaben der Zukunft.

Rot-Grün hatte all das einmal erkannt und Umkehr versprochen. Stillstand ist daraus geworden, lähmende Angst der Regierung, neue Fehler zu machen und sich noch weiter ins Wahlabseits zu manövrieren. Und ein Sieg der Unionsmehrheit im Bundesrat, die nötig ist für echte Strukturreformen. Die Agenda 2010 hat damit ihre Grenze erreicht. Das ist die ernüchternde Erkenntnis aus diesem Bundeshaushalt – einem Zahlenwerk, das den tristen Zustand der ganzen Gesellschaft beschreibt.

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