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Politik: „Es ist ein europäisches Problem“

Der Fraktionschef von Sarkozys Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, über den Streit mit Brüssel

Die EU-Kommission steht im Streit um die Gruppenabschiebungen von Roma aus Frankreich vor der Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Paris. Ist das gerechtfertigt?

Ich bedaure die Entscheidung der EU-Kommission. Es ist immer besser, wenn die Beziehungen eines EU-Mitgliedes und der Kommission vom Dialog geleitet werden statt von Sanktionen. Mein Land hat sehr gute Argumente, um zu zeigen, dass die EU-Verträge eingehalten wurden. Und diese Argumente werden wir vorbringen. Aber statt der juristischen Formalitäten muss man vor allem auch den Hintergrund im Auge behalten: Die Frage der Roma im Besonderen und die Frage der Einwanderung im Allgemeinen ist ein europäisches Problem. Früher oder später brauchen wir dafür eine europäische Lösung. Wenn heute die einzelnen Länder jeweils ihren eigenen Weg gehen, dann liegt das daran, dass es keine Kohärenz in der europäischen Politik gibt.

Ändert nun Frankreich seine Gesetzgebung nach der EU-Freizügigkeitsrichtlinie?

Wir teilen die Einschätzung der EU-Kommission nicht. Deshalb werden die Dinge ihren Lauf nehmen. Wir werden den Dialog mit der Kommission beginnen und alle erforderlichen Erklärungen liefern. Wenn es sich herausstellen sollte, dass Gesetzesänderungen nötig sind, um eine Übereinstimmung mit dem Europarecht zu gewährleisten, dann werden wir diese vornehmen.

Sie gehen also davon aus, dass der Streit zwischen Brüssel und Paris um die Roma beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg landet?

Wenn die EU-Kommission tatsächlich das Vertragsverletzungsverfahren einleitet, werden wir darüber diskutieren.

Es hat viele Beobachter überrascht, wie scharf die Auseinandersetzung über die Roma zwischen Paris und Brüssel bisher verlief. Liegt das auch daran, dass Frankreich im Vorfeld der Präsidentschaftswahl von 2012 die Europapolitik links liegen lässt?

Lassen Sie mich da etwas zurechtrücken. Es ist nicht so, dass auf der einen Seite die lieben Pro-Europäer stehen und auf der anderen Seite die bösen nationalen Politiker. Ein Mann wie Nicolas Sarkozy, der sich zusammen mit unseren deutschen Freunden für die Annahme des EU-Reformvertrags von Lissabon eingesetzt und 2008 eine starke EU-Präsidentschaft hingelegt hat, braucht nicht darüber belehrt zu werden, was einen überzeugten Europäer ausmacht. Man sollte Frankreich keine falschen Unterstellungen machen. Noch einmal: Bei den Roma und der Frage der illegalen Einwanderung geht es um ein ernsthaftes europäisches Problem. Man kann Europa nicht gegen den Willen der Menschen gestalten, sondern muss es mit ihnen tun.

Ein anderes europäisches Thema ist die Verschärfung des EU-Stabilitätspaktes. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble möchte notorischen Haushaltssündern das EU-Stimmrecht entziehen. Was halten Sie davon?

Diese Idee hat auch in Frankreich ihre Anhänger. Ich bin dafür, dass man über alle möglichen Sanktionen für Länder nachdenkt, die ihre haushaltspolitischen Hausaufgaben nicht erledigen. Aus meiner Sicht wäre es aber sinnvoller, darüber nachzudenken, ob Haushaltssünder wie bisher in den Genuss von EU-Strukturmitteln kommen können.

Jean-François Copé (46) ist Fraktionschef der französischen

Regierungspartei UMP. Zuvor war er unter Ex-Präsident Jacques Chirac mehrmals Minister. Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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