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EU-Außenbeauftragte: Allein in Europa

Nach fast 100 Tagen hat die EU-Außenbeauftragte Ashton noch keine eigene Behörde. In den Hauptstädten wächst die Kritik an ihr.

Zum Staunen hat sie wenig Zeit. Dabei ist die alte Moschee aus der großen Zeit Cordobas, die schon im 13. Jahrhundert in eine Kathedrale umgewandelt wurde, die einzige weltweit, deren Gebetsraum nicht nach Mekka zeigt. „Was? Die einzige? Echt?“ sagt die EU-Außenministerin Catherine Ashton nur, als der Priester seine Ausführungen beendet. Schon wendet sich die Britin, die am Mittwoch 100 Tage im Amt ist, leicht gereizt ihrem Mitarbeiter zu: „Wo bleiben eigentlich die ganzen Minister?“ Sie hat ihre Pressekonferenz nach dem zweitägigen Kollegentreffen in Andalusien früher beendet als geplant. Nun wartet sie mit ihrem Team und den Bodyguards vor der Kathedrale. In dieser Viertelstunde setzt der Regen ein.

Die Szene hat etwas Bezeichnendes, alleingelassen von den europäischen Institutionen, die ihr eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt anvertraut haben. Europas Stimme soll Ashton sein, so sieht es der am 1. Dezember in Kraft getretene Lissabon-Vertrag vor. Catherine Ashton allein erbt damit drei Posten: den des alten EU-Außenpolitikvertreters Javier Solana, den von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und den des Außenministers des Landes, das gerade die Ratspräsidentschaft innehat. Die Zahl derer, die das für eine unmögliche Aufgabe halten, wächst von Tag zu Tag.

Wenig überraschend entzündet sich die meiste Kritik daran, wo sie nicht war: Nicht sofort nach dem Beben, sondern erst vergangene Woche in Haiti, nicht beim Treffen von Europas Verteidigungsministern mit Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf Mallorca, stattdessen in Kiew bei der Amtseinführung des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Zwei wichtige Termine, keine Frage, doch sei es „eine strategische Entscheidung“ gewesen, sagt sie selbst zur Begründung, den Blick des eigentlich auf Russland fixierten Janukowitsch nach Westen zu lenken: „Es gibt eben nur eine begrenzte Zahl von Orten, die ich an einem Tag besuchen kann. Durch die Zeit kann ich nicht reisen.“

Überhaupt ist das Reisen in alle Welt nicht so einfach, wenn man kein eigenes Flugzeug hat. Catherine Ashton fliegt Linie, nach Haiti spendierte die spanische Ratspräsidentschaft den Flieger, auf dem Rückweg nahm sie Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner mit von Paris nach Cordoba. Dort ist Ashtons fehlende Logistik das Hauptthema. Die nämlich sei für die 53-Jährige nichts weniger als eine „Frage des körperlichen Überlebens“, wie ein deutscher Diplomat drastisch formuliert. Noch nämlich ist Ashton eine Außenministerin ohne Außenministerium. Zu allem Überfluss muss sie sich das selbst schaffen.

Und über den Aufbau dieses Europäischen Auswärtigen Dienstes, der später einmal tausende Mitarbeiter haben soll, gibt es Streit zwischen den beteiligten europäischen Institutionen. Ashton hat ihr neues Konzeptpapier mit nach Cordoba gebracht, das Ausdruck dieses Streits ist. Im Gegensatz zu früheren Versionen soll die EU-Kommission, deren Vizepräsidentin Ashton ebenfalls ist, allerlei Kompetenzen behalten und nicht an den Dienst abtreten. Beinahe kurioser Höhepunkt ist, dass die Kommission Afrika und der Dienst Asien beackern soll. Das wirkt so offensichtlich bürokratisch und undurchdacht, dass die grüne Europaabgeordnete Franziska Brantner aus Freiburg darin einen „Hilferuf“ Ashtons herauszuhören meint. Nach dem Motto: Liebe Außenminister, das bekommt ihr, wenn ihr mich nicht unterstützt. Entsprechend groß ist der Unmut nach der Sitzung. Von „einer Menge Unruhe“ ist aus Kreisen der Bundesregierung zu hören, Österreichs Minister Michael Spindelegger formuliert es schärfer: „Momentan sind alle unzufrieden.“

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