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EU-Beitritt: Wettbewerb statt Waffen

13 Jahre nach dem Ende des Kroatienkrieges strebt Zagreb in die EU – aber aus Sicht Brüssels gibt es noch hohe Hürden.

Kristijan Drobina steht in einem dunklen Raum. So dunkel wie die Nächte, in denen die serbischen Folterer ihre Opfer hier vor mehr als 16 Jahren abtransportierten. Das große Schiebetor steht halb offen, etwas Licht dringt herein. In der Lagerhalle standen Ackerbaumaschinen, damals, bevor die Serben kamen und die Stadt Vukovar im Osten Kroatiens einkesselten. Aus einer der Hallen, in denen die serbischen Aggressoren Zivilisten festhielten, bevor sie sie umbrachten oder in Internierungslager abtransportierten, hat Kristijan Drobina eine Gedenkstätte gemacht.

In Vukovar hat der Kroatienkrieg tiefe Wunden geschlagen. Auf der Flucht vor den Serben nahm die Mutter den damals fünfjährigen Kristijan mit, gemeinsam mit acht weiteren Geschwistern. Der Vater blieb in Vukovar, um die Stadt zu verteidigen. Heute fühlt sich Kristijan Drobina, inzwischen 22 Jahre alt, verpflichtet, die Erinnerung an die serbischen Gräueltaten wachzuhalten. Andere mögen an der Zukunft Kroatiens arbeiten – ihm geht es darum, dass die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät.

Die Zukunft birgt in den Augen des jungen Mannes vor allem Ungewissheit. Ganz oben auf der außenpolitischen Wunschliste Kroatiens, das 1991 seine Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärte, stehen der Beitritt des Landes zur Nato und zur EU. „Bisher haben alle Umwälzungen für Vukovar etwas Schlechtes gebracht“, antwortet Kristijan Drobina mit einem feinen Lächeln auf die Frage, was er von einem EU-Beitritt Kroatiens erwartet. Das Land, das mit Brüssel seit Oktober 2005 über einen Beitritt verhandelt, könnte gegen Ende des Jahrzehnts Mitglied der Gemeinschaft werden. Ob es dazu kommt, hängt ein bisschen auch von Kristijan Drobina ab, denn am Ende wird die kroatische Bevölkerung über das Vorhaben in einem Referendum abstimmen.

Wie schnell ein Beitritt besiegelt werden kann, dürfte sich in den kommenden Monaten in Zagreb entscheiden, rund 300 Kilometer westlich von Vukovar. Dort sitzt die Oppositionspolitikerin Vesna Pusic ihren Besuchern in einer knallgrünen Lederjacke gegenüber, ihr Englisch hat eine unüberhörbare amerikanische Färbung. „Niedrige Wahlbeteiligung, hohe Zustimmung“, so lautet ihre Prognose für den Tag des Referendums. Dass der endgültige Beitritt noch ein paar Jahre entfernt ist, liegt daran, dass sich bei den Verhandlungen zwischen Brüssel und Zagreb bis zum vergangenen April monatelang kaum etwas bewegt hat. Vesna Pusic, die Vorsitzende des Parlamentsausschusses für die EU-Beitrittsgespräche, ist sich des Risikos schleppender Verhandlungen bewusst. „Es ist wichtig, ein hohes Tempo vorzulegen“, sagt sie. „Wenn sich der Beitrittsprozess in die Länge zieht, dann droht er zum Spielball der Politik zu werden.“

Sämtliche Parteien im kroatischen Parlament unterstützen im Grundsatz den EU-Beitritt des Landes, die Zustimmungsrate in der Bevölkerung liegt aber nur bei etwa 50 Prozent. Für die konservative Regierungspartei HDZ dürfte der Abschluss der Verhandlungen deshalb alles andere als ein Spaziergang werden, zumal das Land den Reformkatalog im Wesentlichen noch gar nicht abgearbeitet hat.

Dabei gehört die geplante Privatisierung mehrerer der fünf großen Werften an der kroatischen Adriaküste zu den umstrittensten Projekten. Die EU-Kommission sieht in den Staatsbeihilfen für den kroatischen Schiffbausektor eine Wettbewerbsverzerrung und drängt daher auf die Privatisierung. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso hat einen Abschluss der Beitrittsverhandlungen noch im kommenden Jahr in Aussicht gestellt – vorausgesetzt, Kroatien erfüllt bis zu diesem Juni die Voraussetzungen zur Öffnung sämtlicher Verhandlungskapitel. Eines dieser Kapitel ist die Wettbewerbspolitik. Sie gehört zu den Bereichen, in denen Brüssel bis zum Sommer noch wesentliche Fortschritte von Zagreb erwartet. Gleiches gilt für den Kampf gegen die weit verbreitete Korruption.

In welche Richtung sich die Stimmung in der kroatischen Bevölkerung wendet, hängt nicht zuletzt auch vom Prozess gegen den ehemaligen kroatischen General Ante Gotovina ab, der im März vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag begann. Bis heute wird Gotovina, unter dessen Führung 1995 die von Serben besetzten Gebiete in Kroatien zurückerobert wurden, von seinen Landsleuten wie ein Nationalheld verehrt. Ein hartes Urteil gegen ihn würde die Bevölkerung zweifelsohne auch gegen die EU aufbringen. Vielleicht denkt Regierungschef Ivo Sanader auch daran, wenn er sagt: „Mich interessiert nicht, was gestern war. Sondern mich interessiert, was ich als Ministerpräsident für mein Land tun kann.“ Was er tun will, ist klar: Kroatien so schnell wie möglich in die EU bringen.

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