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© EFE

EU-Kommission: Auf Herz und Nieren

Die neue EU-Kommission muss sich ab diesem Montag den Fragen des Europaparlaments stellen.

Berlin - Für die 26 Männer und Frauen, die vom 1. Februar an in Brüssel unter der Führung des Portugiesen José Manuel Barroso ihre Arbeit in der EU-Kommission aufnehmen wollen, bedeutete die Zeit zwischen den Jahren vor allem eines: Arbeit. So ist etwa aus dem Umfeld der designierten EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton zu hören, dass sich die Britin schon seit Wochen auf die Anhörung so akribisch vorbereite wie auf ein Examen. Nicht ohne Grund – schließlich war Ashton den EU-Parlamentariern in einer ersten Anhörung im Dezember viele Antworten schuldig geblieben. Aber auch der designierte deutsche EU- Kommissar Günther Oettinger, der vom Stuttgarter Ministerpräsidentenamt ins Brüsseler Energiekommissariat wechselt, muss sich bei den an diesem Montag beginnenden Anhörungen vor allem auf bohrende Fragen von Abgeordneten der Grünen und Linken gefasst machen.

Ende November hatte Barroso, der bereits zuvor vom EU-Parlament für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsident bestätigt worden war, die Zusammensetzung seines neuen Kollegiums bekannt gegeben. 17 Männer und neun Frauen gehören dazu, jedes Mitgliedsland ist vertreten. Bevor sie ihre Ämter antreten können, brauchen sie allerdings die Zustimmung des Europaparlaments. Die Abgeordneten können zwar nicht einzelne von den Mitgliedstaaten nach Brüssel entsandte EU-Kommissare zum Rückzug zwingen, falls diese bei den Anhörungen durchfallen. Dafür sind die Parlamentarier aber in der Lage, der gesamten Kommission en bloc die Zustimmung zu verweigern.

Unter dem Eindruck dieses Machtmittels war Barroso 2004 gezwungen, auf den Italiener Rocco Buttiglione in seiner Kommission zu verzichten. Buttiglione hatte sich in der Anhörung abfällig über Homosexuelle geäußert und war in den Augen der Abgeordneten als künftiger EU-Justizkommissar nicht mehr tragbar. Um einen Eklat zu vermeiden, schickte die Regierung in Rom anstelle Buttigliones den damaligen Außenminister Franco Frattini nach Brüssel.

Rund drei Stunden Zeit wollen sich die Europaabgeordneten für jeden EU-Kommissar bei der Anhörung nehmen. Die Britin Ashton, die gleich an diesem Montag an der Reihe ist, wird unter anderem erklären müssen, wie sie sich die Arbeit des neuen EU-Außenamtes vorstellt. Der Europäische Auswärtige Dienst gehört zu den Neuerungen, die der Lissabonvertrag zur Reform der Europäischen Union eingeführt hat. Unter der Führung Ashtons sollen bis zu 8000 Beamte aus der EU-Kommission, dem Brüsseler Ratssekretariat und den EU-Hauptstädten ein geschlosseneres Vorgehen der EU-Diplomatie gewährleisten.

Kritiker wenden ein, dass die bisherige EU-Handelskommissarin Ashton, die zwischen 1998 und 2001 die Gesundheitsbehörde im britischen Hertfordshire leitete, nicht die nötige außenpolitische Erfahrung für die künftige Aufgabe mitbringe. Bei ihrer ersten Anhörung im Dezember antwortete sie häufig auf Fragen nach ihren außenpolitischen Vorstellungen, sie wolle nicht auf Details eingehen. Dass die Abgeordneten sie an diesem Montag nicht so leicht davonkommen lassen wollen, ist der Britin wohl bewusst. Am Freitag fehlte die „Baroness Ashton of Upholland“ beim offiziellen Auftakt der spanischen EU-Ratspräsidentschaft in Madrid. Stattdessen büffelte sie zu Hause in London lieber für das Kreuzverhör der europäischen Abgeordneten.

Eine ähnliche Überraschung wie die Berufung der Labour-Politikerin Ashton zur EU-Außenbeauftragten war im vergangenen Oktober die Nachricht, dass der CDU-Mann Günther Oettinger von Kanzlerin Angela Merkel nach Brüssel geschickt wird, um dort die Nachfolge des bisherigen deutschen EU-Kommissars Günter Verheugen anzutreten. Der bisherige baden-württembergische Ministerpräsident wird bei der Anhörung am kommenden Donnerstag unter anderem auch den Vorwurf entkräften müssen, er sei von Merkel vor allem deshalb zum EU-Kommissar gemacht worden, um der CDU im Ländle einen personellen Neuanfang zu ermöglichen. Politiker der Grünen und der Linken stören sich wiederum daran, dass Oettinger in der Energiepolitik in der Vergangenheit eher als Atomkraftbefürworter aufgefallen ist.

Weniger um Parteipolitik, dafür umso mehr um die unterschiedlichen Interessen von EU- Mitgliedsländern dürfte es gehen, wenn sich der Franzose Michel Barnier den Fragen der EU-Abgeordneten stellt. Barnier soll künftig für den europäischen Binnenmarkt und die Reform der Finanzaufsicht zuständig sein. Vor allem britische Parlamentarier befürchten, dass sich der ehemalige französische Landwirtschaftsminister in seinem neuen Amt für eine strikte Regulierung der Finanzmärkte einsetzen wird. Ein ausführliches Kreuzverhör wird wohl auch die Bulgarin Rumiana Jeleva erwarten, die sich in Barrosos neuer Kommission um Fragen der humanitären Hilfe kümmern soll. Die Abgeordneten dürften fragen, was an den Gerüchten dran ist, die dem Ehemann der bulgarischen Außenministerin Mafiakontakte vorwerfen.

Ob die EU-Abgeordneten tatsächlich einen der designierten Kommissare durchfallen lassen, erscheint derzeit trotz aller Detailfragen eher unwahrscheinlich. Der liberale britische Europaabgeordnete Andrew Duff kündigte an, dass die Fragen „hart“ sein würden – „aber fair“.

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