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Politik: EU-Osterweiterung: Verheugen beugt sich der Kritik

EU-Kommissar Günter Verheugen hat seine Kritik an der mangelnden Information der Öffentlichkeit über die Ost-Erweiterung der EU bekräftigt. "Dieser Prozess hat noch nicht begonnen", sagte er am Dienstag in Brüssel.

EU-Kommissar Günter Verheugen hat seine Kritik an der mangelnden Information der Öffentlichkeit über die Ost-Erweiterung der EU bekräftigt. "Dieser Prozess hat noch nicht begonnen", sagte er am Dienstag in Brüssel. Es gebe eine große Kluft zwischen gut informierten Kreisen wie Politikern und Geschäftsleuten und zwischen weiten Teilen der Bevölkerung, in der eine "passive, neutrale oder sogar feindliche Stimmung" herrsche. "Wir müssen diesen Sorgen begegnen", sagte Verheugen. Dies sei die Aussage gewesen, die er in seinem umstrittenen Interview habe machen wollen.

Der deutsche Kommissar bestritt erneut, eine Volksabstimmung gefordert zu haben. Er sei falsch interpretiert worden. "Ich plädiere daher auf nicht schuldig", sagte Verheugen. Er hatte am Wochenende in der "Süddeutschen Zeitung" ein Referendum in Deutschland über die geplante Aufnahme mittel- und osteuropäischer Länder in die EU befürwortet und damit massive Kritik ausgelöst, unter anderem von Außenminister Joschka Fischer (Grüne). "Ich bin nicht grundsätzlich gegen Volksentscheide", sagte Fischer am Dienstag in Reykjavik. Bei dem Thema Ost-Erweiterung der EU sei diese Diskussion allerdings nicht angebracht.

"Ich bin über diese Wirkung beunruhigt und wünschte, sie hätte vermieden werden können", sagte Verheugen, der in der EU-Kommission für die Ost-Erweiterung zuständig ist. Kommissionspräsident Romano Prodi hatte von Verheugen eine Klarstellung gefordert.

Die EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer (Bündnisgrüne) kritisierte die Äußerungen Verheugens. Es sei "ein falsches Signal, an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang das Grundgesetz zu ändern und eine Volksabstimmung einzuführen", sagte Schreyer der "Financial Times Deutschland". Sie wies Befürchtungen zurück, die Kosten der Erweiterung könnten ausufern und vor allem Netto-Beitragszahler wie Deutschland stark belasten. "Die Erweiterung bringt keine finanziellen Risiken." Trotz der Erweiterung würde der finanzielle Spielraum der Union bis 2006 nicht ausgeschöpft, sagte sie weiter.

Auch die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), in der sich Christdemokraten und Konservative im Europaparlament zusammengeschlossen haben, kritisierte Verheugen. "Ich erwarte, dass er unmissverständlich sagt, dass es keine weiteren Beitrittsbedingungen geben wird", sagte der Chef der EVP-Fraktion, Hans-Gert Pöttering, am Dienstag vor Journalisten in Straßburg. Verheugen soll an diesem Mittwoch vor dem Plenum in Straßburg sprechen. Pöttering erklärte, der deutsche Kommissar habe mit seinen Äußerungen das Signal gegeben, dass die osteuropäischen Beitrittskandidaten "in unserer politischen Familie nicht willkommen sind". Verheugen hätte seine Worte besser abwägen müssen. Die EU-Kommission forderte Pöttering auf, "ohne Wenn und Aber" klarzustellen, dass sie mit den Beitrittsländern zügig ohne weitere Bedingungen weiter verhandeln werde.

Die CSU machte sich dagegen die Äußerungen Verheugens weitgehend zu Eigen. Landesgruppenchef Michael Glos sagte in Berlin, er befürworte zwar "nicht unbedingt" einen Volksentscheid über diese Frage. "Aber ich bedaure, dass es dies nicht zumindest als Befragungsinstrument gibt." Der Bundesregierung warf Glos vor, die Meinungen und Befürchtungen der Bürger im Zusammenhang mit der Osterweiterung zu vernachlässigen. "Wir müssen so vorgehen, als ob wir diese Volksbefragungen und den Volksentscheid hätten", meinte der CSU-Politiker. Er führte die Aktion des jetzigen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) zum Staatsbürgerschaftsrecht bei der letzten Landtagswahl in Hessen als "plebiszitäres Element" an, das benutzt worden sei, ohne dass es in der Verfassung hätte verankert werden müssen.

In Deutschland haben bei einer Meinungsumfrage der EU-Statistikbehörde Eurostat im Frühjahr 68 Prozent der Befragten angegeben, dass die Erweiterung für sie keine Priorität darstellt.

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