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Politik: EU-Reform: Eine Achse? Nein: zwei! Fischer vor der französischen Nationalversammlung (Kommentar)

Sie drücken den Schwebezustand des Nationalstaats auf dem Weg zu mehr internationaler Verflechtung passend aus: Reden ausländischer Gäste im Parlament. Helmut Kohl in Polens Sejm, Bill Clinton vor Russlands Duma.

Sie drücken den Schwebezustand des Nationalstaats auf dem Weg zu mehr internationaler Verflechtung passend aus: Reden ausländischer Gäste im Parlament. Helmut Kohl in Polens Sejm, Bill Clinton vor Russlands Duma. Eine Geste der Ehrerbietung, aber nebenbei, weil sie Ausnahme bleibt, eine Rückversicherung: Im Alltag hat der hier nichts zu suchen, die nationalen Parlamente bleiben ein Hort der Vaterländer.

Eine Ehre nun auch für Joschka Fischer: die Einladung der französischen Nationalversammlung. Zugleich aber eine Art Verhör: Er sollte seine Vision eines föderalen Europa erläutern - und rechtfertigen. Das darf Fischer insgeheim freuen, der Auftritt passt zu seinen Thesen. Als Außenminister ist er demokratisch besser legitimiert als ein EU-Kommissar. Doch in der Frage, wie Europa politisch verfasst sein sollte, liegen Deutsche und Franzosen weit auseinander, da mögen sie noch so oft ihr Einvernehmen betonen. Nach Fischers Europa-Rede stellten Präsident Chirac, Premier Jospin und zuletzt Außenminister Vedrine klar: Sie wollen keinen föderalen Überbau, an den die Nationalstaaten schrittweise Souveränitätsrechte abgeben.

Einigkeit zumindest über die kurzfristigen Reformvorhaben? Angeblich. Der EU-Gipfel in Nizza im Dezember wird auch das widerlegen. Zuschnitt der EU-Kommission, nationale Gewichtung im Rat und im Europa-Parlament - das sind Macht- und Prestigefragen. Die werden frühestens in einer dramatischen Nachtsitzung in Nizza beantwortet. Dann hätte die EU immerhin das vor Jahren Versäumte nachgeholt. Erweiterungsfähig wäre sie immer noch nicht. Deshalb die Unruhe der Beitrittsländer: Wird man sie weiter vertrösten, auf 2006, weil die EU zuvor eine zweite Runde innerer Reformen braucht?

Ein deutsch-französisches Monopol auf EU-Gestaltung wird ohnehin nicht mehr akzeptiert, nicht von Großbritannien und Spanien. Die Botschaft des überraschenden Blair-Aznar-Papiers: Aus dem Avantgarde-Duo muss mindestens ein Quartett werden.

Wann aber wird endlich das Hauptübel beseitigt? Es ist leicht, in der EU Verhinderungskoalitionen zu schmieden, weit schwerer, Mehrheiten für die nötigen Reformen und Kompromisse zu organisieren. So bleibt Europa im Schwebezustand zwischen machtvollem Nationalstaat und nur langsam wachsender Föderation, - und die Beitrittsländer noch lange draußen vor der Tür.

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